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Programmheft Der Goldene Drache 2015

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  • Frankfurt
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Werkstattbühne 2015 Der goldene Drache Musiktheater (2014) von Peter Eötvös Libretto von Roland Schimmelpfennig, eingerichtet von Peter Eötvös Österreichische Erstaufführung Koproduktion von Ensemble Modern und Oper Frankfurt Premiere: 9. August 2015 – 20.00 Uhr Weitere Aufführung: 21. August - 20.00 Uhr Dauer: 1½ Stunden (ohne Pause)

Hermann Feuchter Wir

Hermann Feuchter Wir wollten dem Bühnenbild von Der goldene Drache einen Installations- Charakter geben. Es handelt sich eher um eine szenische Skulptur, ein Spielpodest, das durch die Skulptur eines Drachen zusammengehalten wird. Dieser Drache setzt sich aus Elementen zusammen, die jeden Tag von uns weggeworfen werden, die wir zurücklassen, nicht nur hier, sondern auf der ganzen Welt. Elisabeth Stöppler Im Laufe des Stückes wird der Drache gefleddert und sogar ausgeweidet. Man bedient sich an ihm und beutet ihn aus, bis er schließlich in sich zusammenbricht. Nicole Pleuler Was auch dem Grundthema des Stückes entspricht. Elisabeth Stöppler Hermann, du benutzt immer so einen schönen Begriff: „Rückstände“ … Hermann Feuchter … Konsumrückstände. Es sind nicht bestimmte Personen oder Gesellschaftsschichten, die das Substrat des Drachen bilden, sondern es besteht aus alledem, was von uns Menschen zurückbleibt. Zsolt Horpácsy Herr Eötvös, zu Beginn Ihres Musiktheaters arbeiten Sie mit klaren, sehr prägnant gesetzten Mitteln, die vom Kabarett, Vaudeville und Boulevardtheater abgeleitet und zum Teil mit einer strengen Mechanik verbunden sind. Der Einfluss Ihres Schaffens als Filmmusik-Komponist bzw. Jazz-Musiker ist auch nicht zu überhören. Nun ändert sich diese Tonsprache etwa ab der Mitte des Werks, ab der elften Szene … 20

Peter Eötvös Das hat zweierlei Gründe. Der Kleine vollzieht eine wichtige musikalische Entwicklung: Bis zur elften Szene hat er nur die Funktion, Zahnschmerzen zu haben, was sehr realistisch vertont ist. Nach seinem Tod taucht er aber als Geist auf und wird nun für die Musik interessant. Die Entwicklung kulminiert in seinem wunderbaren Monolog in der 20. Szene, der einzigen auskomponierten Arie des ganzen Stückes. Sowohl in ihrem Umfang als auch in ihrer Musiksprache ist es fast eine Opernarie. Inga, die blonde Stewardess – die zweite Hauptfigur – durchlebt ab der elften Szene eine Art Leidensweg. Ihre Begegnung mit dem Zahn des Kleinen verändert sie. Mit dieser Szene wird das Musiktheater zur Passion. SCHMERZHAFTE NÄHE Zsolt Horpácsy Wie wirkt sich diese Veränderung auf die Bühnenhandlung aus? Der scheinbar leichte, kabarettistische Ton verwandelt sich in eine bedrohliche und melancholische, ja tragische Klangvision … Elisabeth Stöppler In der Handlung von Der goldene Drache geht es um Schmerz, um Zahnschmerz, und bevor der Zahn gezogen wird, passieren geradezu manische Wechsel zwischen den einzelnen Identitäten. Der erste Teil trägt kabarettistische, aber auch tragische Züge, was ihn grotesk erscheinen lässt, volkstheaterhaft. Gleichzeitig entfaltet er durch seine repetitiven Momente einen beinahe slapstickartigen Humor. Wenn in der elften Szene der kariöse, eiternde Zahn gezogen wird, verändert sich die Atmosphäre. Beispielsweise war bis dahin jede zweite Szene eine Küchenszene, das ist nun vorbei. Ein Ventil wurde geöffnet, es kommt zu einer Art Befreiung, der Schmerz kann sich ausbreiten und wird auf das Publikum übertragen. Wenn der Zahn gezogen wird, löst sich das System auf, die Szenerie scheint zu schweben und die Figuren driften auseinander. Es gibt diese spürbare Zweiteilung im Stück, mit der elften Szene als Wendepunkt. Umso mehr sich das Stück im ersten Teil „hochschraubt“, desto tiefer stürzt es im zweiten Teil ab. 21

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