BREGENZER FESTSPIELE AUF DEN SPUREN VON BRIGANTIUM Nach mehrmaligen Ausgrabungen ist es nun bewiesen: Schon zur Zeit der Römer war Bregenz, damals Brigantium, ein kultureller Anziehungspunkt mit überregionaler Bedeutung. Die gefundenen Mauerreste am Fuße der Bregenzer Oberstadt stammen von einem antiken Theater, in dem an die 2.000 Menschen Platz fanden. Im Interview spricht der Archäologe Dr. Karl Oberhofer über die Entstehung von Brigantium und Festspiele für »jeden, der laufen konnte«.
Die Bregenzer Festspiele feiern ihren 75. Geburtstag, doch Theater wurde in Bregenz, damals Brigantium, schon vor fast 2.000 Jahren gespielt. Was waren die Voraussetzungen? Karl Oberhofer: Brigantium wurde 15 v. Chr. im Zuge des Alpenfeldzugs der Römer auf dem Plateau des heutigen Ölrains gegründet und gilt als das älteste römische Militärlager im heutigen Österreich. Neben dem Militärposten an der damaligen Grenze entstand ein blühendes Dorf. Das muss man sich vorstellen wie bei den italienischen Autobahnraststätten: Zunächst gibt es eine Tankstelle, um die sich nach und nach andere Gewerbe ansiedeln. 60 Jahre später expandierte das Römische Reich, die Grenze verlief nun an der Donau. In der Regel wurden Siedlungen dann aufgegeben, aber Brigantium, das in der Provinz Rätien lag und später dem gallischen Zollbezirk zugeordnet wurde, war ein verkehrsgeographischer Knotenpunkt, verband Mailand und Augsburg sowie den Osten mit dem Westen. Bis ungefähr 100 n. Chr. ging es wirtschaftlich stetig bergauf – in dieser Zeit entstand das hiesige gallorömische Theater. Drehen wir die Zeit zurück: Was war damals in Bregenz los? Um die hygienischen Grundbedürfnisse der Menschen zu decken, gab es eine Therme. Außerdem existierten in Bregenz sogar zwei Foren: ein Forum für den Markt und eines mit einer Basilika, also einer Hallenanlage, für die Administration. Und im sogenannten Kaiserkultbezirk stand mitten auf einer großen freien Fläche ein verloren wirkender Altar zu Ehren des Kaiserhauses. Eine Straße verlief durch die Siedlung, führte zum Gräberfeld und die Thalbachsenke hinunter. Dort, am Fuße der heutigen Oberstadt, wurde das Theater errichtet. In der Nähe nimmt man eine Schiffsanlegestelle an, das Seeufer lag damals näher an der heutigen Oberstadt. Der Standort außerhalb der Siedlung war typisch für die römischen Nordwestprovinzen und für die Bevölkerung aus dem Umland leicht erreichbar. Wie lange florierte das Theater in Bregenz? Wir glauben, dass ab 150 n. Chr. das Theater nicht mehr bespielt wurde. Es ging wirtschaftlich bergab, seit die Grenze des Römischen Reiches nochmals weiter nach Norden verlagert wurde. Die Donau wurde partiell überschritten und neue Handelswege hatten sich etabliert. Die tatsächliche Nutzungszeit des Theaters wird also gute 50 Jahre betragen haben. Die Grundmauern des Bregenzer Theaters waren übrigens bis ungefähr 400 n. Chr. sichtbar. Das wissen wir so genau, weil damals jemand einen Geldbeutel dort verloren hat, dessen Inhalt 2013 gefunden wurde. Durch die numismatische Auswertung konnte man das Datum des Verlustes genau bestimmen. Was war passiert? Auf der Oberstadt war mittlerweile Brecantia, die spätantike Nachfolgesiedlung, gegründet worden und als 378 n. Chr. die Alamannen – mit a – einfielen, erfüllten die Theatermauern einen neuen Zweck: Sie stellten durch die radiale Anordnung ein zusätzliches Hindernis für eindringende Feinde dar. Im Mittelalter wurde beim Ausbau der Oberstadt Schutt und Unrat nach unten gekippt und das Steinfundament des Theaters verschwand sukzessive. Einer, den seine Kulturbesessenheit nicht nur als Besucher ins Theater trieb, sondern der auch selbst als Schauspieler und Kitharasänger auftrat, war der römische Kaiser Nero. Arrigo Boitos Oper Nero wird diesen Sommer im Festspielhaus aufgeführt. Nero regierte von 54 bis 68 n. Chr. Wie ging es Brigantium unter seiner Regentschaft? In der Zeit Kaiser Neros prosperierte Bregenz. Er galt als kulturbeflissener Mensch, der das Regieren auch an fähige Beamte delegierte, insbesondere als er 66|67 n. Chr. auf Künstlerreise in Griechenland weilte. So schuf er die Grundlage dafür, dass AUF DEN SPUREN VON BRIGANTIUM 13
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