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Festspielzeit Frühling 2022

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Das Magazin der Bregenzer Festspiele

Was bedeutet für Sie

Was bedeutet für Sie als in Japan aufgewachsene Frau Giacomo Puccinis Madame Butterfly? Wie haben Sie die Oper kennengelernt? ORCHESTERKONZERT Malika Kishino: Ich kann mich nicht genau erinnern, wann ich die japanische Bezeichnung Chô-Chô Fujin für Madame Butterfly zum ersten Mal gehört habe, es war im Fernsehen oder in einer Zeitungsankündigung der Oper. In Japan ist Chô-Chô (Schmetterling) eine Metapher für die vergängliche Schönheit. Diese Formulierung erzeugte in mir bereits die Vorstellung von etwas Verletzlichem und Schönem. Für mich ist Giacomo Puccinis Madame Butterfly nicht nur die tragische Geschichte einer unerwiderten Liebe zwischen einem unaufrichtigen Mann und einer jungen, armen Japanerin. Die Oper zeigt mir auch die Fantasie und das etwas zu stereotype Bild, das westliche Menschen im 19. Jahrhundert von Japan hatten. Andererseits handelt die Oper von ewig menschlichen Themen wie Mann und Frau, Okzident und Orient, Moderne und Tradition, Starke und Schwache, Tote und Lebende, Reiche und Arme … Sie handelt auch vom Konflikt der Kulturen und Religionen. Obwohl die Oper vor 120 Jahren komponiert wurde, spiegelt sie auch unsere momentane Situation in der Welt. Diese Tatsache ist für mich wichtig. Puccini versuchte, in seiner Komposition mit japanischen Melodien und Elementen, die er von europäischen Kollegen kennengelernt hatte, zu spielen und sie für seine Ästhetik zu adaptieren. Wie »japanisch« klingt die Musik in Ihren Ohren? Das Koto ist ein meist 1,80 m langes japanisches Saiteninstrument. Wie es klingt, ist am 25. Juli in Malika Kishinos Konzert für Koto und Orchester zu erleben. niert. Diese Melodie, die von zwei Japanern geschrieben wurde, beruht auf einer traditionellen Weise der japanischen Hofmusik Gagaku. Der deutsche Komponist Franz Eckert hat sie im westlichen Stil harmonisiert. Mir war es vertraut, die Nationalhymne zu hören, die japanisch klang, aber von einem Symphonieorchester gespielt wurde. Nachdem ich diese Version zum ersten Mal gehört hatte, fühlte ich mich sehr einzigartig. Diese japanischen Volkslieder und Melodiefragmente, die ich seit meiner Kindheit kenne, in Madame Butterfly zu hören, gefällt mir. Ich finde, dass Puccini diese japanischen Melodien sehr gut für Orchester gesetzt hat. Seine Art, diese Motive fragmentarisch zu nutzen, hat eine sehr effektvolle Wirkung. Sie hatten in Kyoto Jura studiert, bevor Sie zum Kompositionsstudium nach Paris und Lyon gingen. Welche Gründe haben zu dieser Entscheidung geführt? Schon immer wollte ich einen Beruf ausüben, dem ich mit Leidenschaft mein ganzes Leben widmen kann. Diese Idee mag vom Leben meiner Eltern kommen — ich wurde in einem buddhistischen Tempel in Kyoto geboren. Mein Vater ist Priester und kümmert sich gemeinsam mit meiner Mutter um den Tempel. Für meine Familie ist der Beruf 28 Zunächst möchte ich ein Beispiel erläutern: Die japanische Nationalhymne, die in der Oper benutzt wird, wurde kurz zuvor – 1880 – kompoetwas, dem man sich bis zum Ende seines Lebens widmet. Mit anderen Worten: Es gibt keine klare Grenze zwischen Beruf und Privatleben. Ich lernte zwischen meinem 6. und 18. Lebensjahr intensiv das Klavierspiel. In meiner Jugend verbrachte ich die meiste Zeit mit Üben. Es schien mir attraktiv, etwas für mich selbst zu schaffen. Dank meiner Klavierstunden hatte ich etwas Wissen und Fertigkeiten für ein Kompositionsstudium. Es war für mich eine natürliche Wahl meines Lebens, mit dem Komponieren zu beginnen. In Paris war Yoshihisa Taira Ihr Lehrer, der 1966 von Japan nach Frankreich gekommen war. Welche Rolle spielten Herkunft und kulturelle Prägung in Ihrer Ausbildung? Eines der bedeutendsten Dinge, die ich von Yoshihisa Taira gelernt habe, ist die Tatsache, dass Kategorien wie Geschlecht, Nationalität, Zeitgeist keine Rolle für die Qualität der Musik spielen. Komponieren sollte frei sein. Er ermunterte seine Studierenden immer, frei und instinktiv ohne Vorbehalte zu komponieren, sodass wir Klänge finden, die unsere eigenen Ohren ausgewählt haben. Er sagte uns oft, dass der kulturelle Hintergrund einer Komponistin ganz natürlich hervorkommen kann, wenn der Komponist versucht, seine eigene Klangwelt zu finden. Und ich fühle genau so, wie er es sagte.

Nun leben Sie seit 2006 in Köln und erleben Aufführungen Ihrer Werke auf der ganzen Welt. Bei den Bregenzer Festspielen im Sommer werden zwei davon erklingen, die beide auch einen Bezug zu Ihrer Heimat haben. Wie würden Sie diese japanischen Spuren in Ihrer Musik beschreiben? Ich lebte bis zu meinem 24. Lebensjahr in Kyoto. Ich bin überrascht von mir selbst, wie sehr japanische Ästhetik mich beeinflusst, nicht nur in meiner Musik, sondern im Leben insgesamt. Natürlich gibt es auch viele Einflüsse aus Frankreich und Deutschland, wo ich die zweite Hälfte meines Lebens bisher verbracht habe. Aber prinzipiell speisen sich meine Sinne und Urteile, was ich als schön empfinde – wie Kontraste von Farben, Nuancen, Proportionen, Ausgewogenheit –, von den Erfahrungen der Kindheit und Jugend in Japan. »Für mich ist Musik wie Gartenkunst. Ich ordne das musikalische Material an und erschaffe ein Universum.« im siebten oder achten Jahrhundert von China nach Japan. Das klassische Koto hatte immer 13 Saiten. Die Geschichte des 17-saitigen Kotos, das auch Bass-Koto heißt, ist recht jung. Es wurde von Michio Miyagi 1921 erfunden, um das klassische Koto zu begleiten. In meinem Koto- Konzert behandle ich diese beiden Instrumente manchmal unabhängig voneinander, manchmal wie ein einziges Instrument, wenn die Solistin beide Instrumente gleichzeitig spielt. Ich habe versucht, Klangmaterial zu entwickeln, das den Charakter und die Schönheit des Koto portraitiert. Die verschiedenen Instrumente werden auf drei unterschiedliche Weisen benutzt: erstens die Koto-Spielerin als Solistin, die alle musikalischen Materialien und Gesten hervorbringt. Zweitens die Harfe und das Klavier als Echo und Brücke zwischen Solistin und Orchester. Drittens das Orchester als Meta-Instrument, das vom Koto angetrieben wird. Saiten mit der Rückseite des Bogens. Im Kontrast dazu habe ich ein Volkslied aus Fukushima, Sohma Nagareyama, zitiert, als Motiv für den Menschen. Das Lied handelt von der Sehnsucht nach Hause und vom Wandel der Zeit. Ich wollte dieses Volkslied als Metapher für die Landschaft des Herzens behandeln, die jeder Mensch in sich trägt und die ein Anker seines Herzens sein kann. Die Natur spielt in Ihrer Musik eine große Rolle, über mehrere Jahre hinweg entstand der Zyklus Monochromer Garten. Könnte die unmittelbare Nähe zum Bodensee die Wahrnehmung Ihrer Musik beeinflussen? Unser Leben ist erfüllt von einzelnen Empfindungen, die kontinuierlich mit unseren Stimmungen verbunden sind. Diese subjektive Bewusstseinserfahrung individueller Momente heißt »Qualia«, ein bedeutendes Element in meiner Kompositionsweise. Das Wasser, der blaue Himmel, die Reflexion des Sonnenuntergangs auf dem Wasser, die Frische nach einem abendlichen Schauer … Der Blick auf den Bodensee wird meine Empfindung wachrufen. Ich möchte gern diese Empfindungen, die sich mit Worten nicht beschreiben lassen, in Klänge fassen. Trotzdem wäre es kein Stück, das die beeindruckende Landschaft des Sees illustriert. MALIKA KISHINO IM GESPRÄCH In Ihrem Konzert für Koto und Orchester trifft ein traditionelles japanisches Soloinstrument auf ein farbig instrumentiertes Orchester. Was hat Sie zu diesem musikalischen Dialog inspiriert? Die Struktur und die Anordnung des Materials in meinem Koto-Konzert sind von der japanischen Gartenkunst inspiriert. Ich schrieb dieses Konzert für den großartigen Musiker und Freund Makiko Goto, mit dem ich viele Jahre zusammengearbeitet habe und von dem ich so viel über das Koto lernen durfte. Das Koto ist ein gezupftes Halbrohrinstrument, ähnlich einer Zither, und das traditionelle japanische Instrument. Es kam Das Ensemble Modern spielt beim Musik-&-Poesie-Abend Schmetterlingseffekte Ihr Lamento für Violine und Viola, das mit einem Volkslied aus Fukushima arbeitet. In welchem Zusammenhang steht diese Melodie in Ihrem Stück? Lamento wurde für eine Benefiz-CD zugunsten der Erdbeben- und Tsunami-Opfer 2011 in Tōhoku komponiert. Das Stück beruht auf der Symbiosis, so der Titel der CD, von Natur und Mensch. Der physikalische Impuls der Natur wird vom Pizzicato der beiden Instrumente wiedergegeben, die rau fließende Energie durch das Schlagen der 29 Für mich ist Musik wie Gartenkunst. In einer vorgegebenen Zeit ordne ich das musikalische Material an, erzeuge eine Kurve von Klangenergie und erschaffe ein Universum. Was ich in meinen Kompositionen suche, ist, durch Klang nach innen etwas tief in mir auszudrücken und so in einem ruhenden Zustand anzukommen. Das gesamte Programm der Orchesterkonzerte und von Musik & Poesie finden Sie in der Heftmitte. Die Orchesterkonzerte werden präsentiert von

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