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Festspielzeit Sommer 2015

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Das Magazin der Bregenzer Festspiele

deshalb nicht lieben?

deshalb nicht lieben? 1797 hatte Hoffmann in einem Brief die Unmöglichkeit, in der Liebe jene Befriedigung zu finden, die sie zu versprechen scheint, als »Fluch der Natur« bezeichnet. Rezitativen, eine mit gesprochenen Dialogen –, massive Eingriffe in die Konzeption des Werks durch ihre Auftraggeber, zwei Theaterbrände, die teilweise die originalen Noten der Oper zerstörten, zahlreiche OPER IM FESTSPIELHAUS Es mag diese Vielfalt und Vielschichtigkeit an Themen und Geschichten gewesen sein, die den Komponisten Jacques Offenbach so sehr an dem Theaterstück Hoffmanns Erzählungen reizte, das 1851 in der Comédie-Française uraufgeführt wurde. Er selbst hatte turbulente Erfahrungen hinter sich: 1819 in Köln in einer jüdischen Musikerfamilie geboren, wurde er als Wunderkind am Violoncello mit 14 Jahren zum Studium nach Paris geschickt. In den folgenden Jahren eroberte er als Virtuose auf seinem Instrument die Pariser Salons, wo er unter anderen mit Franz Liszt musizierte. Doch es zog ihn zur Theaterbühne und er wurde Musiker im Orchester der Opéra Comique, wo er sich ein breites Repertoire erarbeitete. Da seine eigenen Bühnenwerke nicht gespielt wurden, gründete er kurzerhand sein eigenes Theater, gab ihm den Namen Théâtre des Bouffes-Parisiens und stellte in den folgenden Jahren als Intendant und Hauskomponist das Unterhaltungstheater auf den Kopf. Noch heute gelten seine Operetten wie Orpheus in der Unterwelt, Die schöne Helena, Pariser Leben oder Die Großherzogin von Gerolstein als Meisterwerke und werden in einem Atemzug mit Johann Strauß’ Fledermaus genannt. Bis Offenbachs Begeisterung für Hoffmanns Erzählungen in konkrete Pläne, daraus eine Oper zu komponieren, gefasst wurde, vergingen allerdings noch über zwanzig Jahre. 1873 wurde die Zusammenarbeit mit Jules Barbier für ein Libretto geplant, Michel Carré war ein Jahr zuvor verstorben. So phantastisch und abgründig die Handlung dieser einzigartigen Oper ist, so unglaublich gestalten sich auch ihre Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte. Zu vermerken sind zwei begonnene Versionen – eine mit komponierten »Groß ist man durch die Liebe, doch größer noch durch die Schmerzen.« Bearbeitungen und Umstellungen für die und nach der Uraufführung. Als Offenbach 1880 starb, war keine der beiden Versionen vollendet. In den folgenden Jahrzehnten wurden großzügig Akte umgestellt, einzelne Musikstücke umgeschrieben und in andere Akte verlegt, neue Nummern im Stil der Oper hinzukomponiert, darunter mit Dapertuttos »Spiegelarie« eine der heute bekanntesten Nummern der Oper. Bis heute ist Offenbachs ursprüngliche Konzeption nicht komplett zu rekonstruieren. All diese Verwirrungen, Geheimnisse und Fragezeichen haben sich auf wundersame Weise mit der Oper verbunden und gehören heute selbstverständlich zu einer Aufführung. Die Handlung ist so verstrickt wie ihre Entstehungsgeschichte. Und gleichzeitig kommt sie durch Offenbachs teils schmissige, teils melancholische, immer virtuose Musik auf leichten Füßen daher. Den Rahmen im ersten und letzten Akt bildet Lutters Weinkeller in Berlin, wo Hoffmann von den Studenten sehnsüchtig erwartet wird, just in der Pause einer Vorstellung von Wolfgang Amadeus Mozarts Don Giovanni. Darin tritt die von allen bewunderte Sängerin Stella auf, die Hoffmann einen Brief mit dem Schlüssel zu ihrer Garderobe geschickt hat. Doch bevor Hoffmann diesen Brief erhalten kann, hat ihn der Rat Lindorf abgefangen, der sich 16 Die Oper im Festspielhaus wird präsentiert von

selbst Zutritt zur schönen Sängerin verschaffen möchte. Lindorf verkörpert den Dämon Hoffmanns; auf der anderen Seite erscheint in diesem Lokal die Muse aus einem Weinfass, die sich als Hoffmanns Inspiration vorstellt. Beide Figuren werden den Schriftsteller durch die nächsten Akte begleiten, die Muse als sein ständiger Begleiter Nicklausse – sie wechselt also das Geschlecht –, Lindorf in unterschiedlicher dämonischer Gestalt. Hoffmann beginnt zur Freude der Studenten von drei Frauen zu erzählen, die ihm begegnet sind und die er alle in Stella vereinigt sieht. Diese Stella ist im Stück erst im letzten Akt zu erleben. Die drei Erzählungen, die nun folgen, verlaufen nach einer ähnlichen Struktur: Hoffmann verliebt sich in eine Frau, wird aber vom Dämon und auch von Nicklausse an der erfüllten Liebe gehindert. Letztlich hindert Hoffmann sich also selbst an der Liebe, da sich seine Antagonisten als Ausformungen seiner Persönlichkeit betrachten lassen. In der ersten Erzählung erscheint die Liebe von Anfang an absurd: Durch die künstlichen Augen, die Hoffmann von Coppélius erhält, betrachtet er die von Spalanzani erbaute Puppe Olympia als echt, tanzt mit ihr und lauscht gemeinsam mit der anwesenden Festgesellschaft ihren atemraubenden Koloraturen. Am Ende zerstört Coppélius die Puppe, weil er sich um seinen Anteil an deren Konstruktion – nämlich der Augen – betrogen fühlt. Auch die zweite Geschichte dreht sich um den Gesang. Die glückliche Liebe zwischen Hoffmann und der Sängerin Antonia wird durch deren Vater Crespel verhindert, der ihr jeden Kontakt zu Hoffmann verbietet. Er fürchtet, dass er sie zum Singen verleiten könne und sie damit das gleiche Schicksal ereilt wie ihre Mutter, die am Gesang gestorben ist. Kaum hat Crespel das Haus verlassen, schleicht sich Hoffmann zu Antonia und besingt mit ihr die gemeinsame Liebe. Nach der Rückkehr des Vaters Jacques Offenbach lässt an der Pariser Oper die Puppen tanzen (Karikatur von André Gill, 1866). erscheint der wundersame Doktor Miracle, der Crespel seine Hilfe anbietet. Obwohl dieser sie ablehnt, beginnt Miracle die abwesende Antonia zu untersuchen und lässt ihre Stimme erklingen. Hoffmann betrachtet die Szene aus einem Versteck und bittet anschließend Antonia in einem Brief, nie mehr zu singen. Allein gelassen, erscheint ihr Miracle und führt ihr vor Augen, worauf sie alles verzichten müsste, wenn sie das Singen aufgäbe. Aus dem Portrait ihrer toten Mutter hört Antonia deren Stimme, bricht zusammen und stirbt. Die dritte Erzählung führt nach Venedig, wo Hoffmann die Kurtisane Giulietta begehrt. Diese wird vom Dämon, diesmal in Gestalt Dapertuttos, überredet, Hoffmann sein Spiegelbild zu entwenden, wie sie es bereits bei einem anderen Mann getan hat. Sie lässt sich von Dapertuttos Diamanten locken und ringt Hoffmann sein Spiegelbild ab. Immer mehr verkompliziert sich hier die Handlung, deren eindeutiger Verlauf kaum noch auszumachen ist. In den wiedergefundenen Quellen begeht Hoffmann einen Mord, wird dafür belangt und bringt durch Dapertuttos erneutes Einschreiten statt Giulietta deren Diener um. Anders gestaltet sich der Verlauf des 17 vierten Akts im zugrundeliegenden Drama. Es ist die Herausforderung jeder Inszenierung dieser Oper, aus den vorhandenen Fragmenten, von denen die Herausgeber Michael Kaye und Jean-Christophe Keck in den letzten Jahrzehnten immer mehr gefunden haben, eine einigermaßen schlüssige Version auf die Bühne zu bringen oder aber den fragmentarischen Charakter der letzten beiden Akte zu betonen. Am Ende der Oper sah Offenbach die sogenannte Apotheose vor: Angeführt von der Muse, die im fünften Akt die Gestalt Nicklausses wieder abgelegt hat, sind die abschließenden Worte zu hören: »Groß ist man durch die Liebe, doch größer noch durch die Schmerzen.« Wie lassen sich Sehnsucht, Liebe und Inspiration vereinbaren? Die großen Fragen letztlich von uns allen werden in dieser unvollendet gebliebenen Oper auf charmante Art formuliert. Den norwegischen Regisseur Stefan Herheim beschäftigt dieses Werk auch deshalb seit Jahrzehnten, an eine Inszenierung hat er sich bisher noch nicht gewagt. Für die Bregenzer Festspiele taucht er nun erneut tief in diese faszinierend vielschichtige Oper und auch seine eigene Persönlichkeit ein, denn »wie Hoffmann bin ich selbst immer ein Träumer gewesen«. HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN

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