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Festspielzeit Sommer 2015

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Das Magazin der Bregenzer Festspiele

OPERNSTUDIO AM KORNMARKT

OPERNSTUDIO AM KORNMARKT Sie haben die großen Rollen des Schauspielrepertoires unter anderem in Halle, Köln und Hamburg gespielt und proben gerade wieder am Residenztheater München. Seit einigen Jahren widmen Sie sich als Professor für Schauspiel am Salzburger Mozarteum jungen Talenten, mit denen Sie zuletzt Heinrich von Kleists Der zerbrochne Krug inszeniert haben. Welche Erfahrungen möchten Sie den jungen Sängern des Opernstudios der Bregenzer Festspiele mitgeben? Jörg Lichtenstein: Zunächst einmal hoffe ich, viel von ihnen zu bekommen! Ich bin immer wieder verblüfft, was entsteht, wenn junge Sängerinnen und Sänger bemerken, wie stark sie in ihrer Persönlichkeit auf der Bühne gefragt sind, und wie beglückend es für alle Beteiligten sein kann, wenn sie entdecken: Das kann ich also auch, mich über Theater-Spiel ausdrücken und ausleben. Wo ich doch schon so toll singe... In diesen Augenblicken bin ich nur neidisch. Außerdem freue ich mich auf diesen ganz speziellen Humor, den viele Opernsängerinnen und -sänger zu bieten haben, für den es auf der Opernbühne selten Bedarf gibt. Meine Arbeit ist es, Handwerk zu vermitteln, um solche Entdeckungsmomente bewusst und wiederholbar zu machen. Die Paare in Così fan tutte sind dafür ebenso ideal wie anspruchsvoll: Wir haben kaum biographische oder soziale Information über die Figuren. Wir dürfen und müssen von uns selbst und unseren Erfahrungen ausgehen. Niedergeschlagenheit hat plötzlich etwas Tröstendes, und jeder hört es anders. Als Kind haben mich die Wucht der Geharnischten und die fast unerträgliche Spannung der Feuer- und Wasserszene umgehauen, und die Erwachsenen schwärmten von der naiv schlichten Harmonie der Zauberflöte. Ich dachte, wir hören verschiedene Musik! In Così fan tutte verschwendet Mozart für auf den ersten Blick platte Situationen seine schönsten und ernsthaftesten Erfindungen. Im ersten Finale gehts in der Musik schon um Leben und Tod. Man fragt sich, wie soll das noch gesteigert werden? Aber es passiert. Zwei Männer lassen sich in Così fan tutte auf das Spiel ein, die Treue ihrer Freundinnen zu überprüfen, indem sie selbst diese als gespielte Fremde umwerben und verführen. Wie zeitgemäß ist diese Handlung im Zeitalter von Chatrooms und Speed-Dating? Jörg Lichtenstein als Faust (2007, Foto unten) und als Macbeth (2009, rechts). Beide Ins zenierungen entstanden am Theater Halle. Die Opern Wolfgang Amadeus Mozarts kennen Sie aus vielerlei Perspektiven. Was macht seine Bühnenwerke so einzigartig? Für mich tatsächlich die emotionale Vielschichtigkeit und Vieldeutigkeit. Das, was der Schauspieler in jeder Rolle sucht und gern bei Anton Tschechow verortet, hat Mozarts Musik fast immer. In der größten Euphorie lauert versteckt die Traurigkeit, die schlimmste 28

Versuchsanordnung mehr. Ist Treue die geeignete Liebesversicherung? Sind wir sicherer vor Fehlern und Verletzungen, je offener und tabuloser wir miteinander umgehen? Ich möchte jetzt vor Probenbeginn nicht groß besserwissen, weil ich zu gespannt darauf bin, wieviel von dem, was Susanna Boehm, Jutta Delorme, Sie und ich uns ausgedacht haben, zündet, wenn es auf unsere Sängerinnen und Sänger trifft. JÖRG LICHTENSTEIN begann seine Theaterlaufbahn als Regieassistent für Oper im heimatlichen Rostock. Er studierte Schauspiel in Leipzig und war seither an zahlreichen Schauspielhäusern in Deutschland und Österreich sowie als Lehrer für Gesang und Schauspiel engagiert. Seit 2011 spielt Jörg Lichtenstein am Residenztheater München und ist Professor für Schauspiel am Mozarteum Salzburg. Für mich ist die vermeintliche Seriosität professioneller Fragebögen der Partnerbörsen genauso hirnrissig wie die Suche nach Lebensund Liebesersatz im Second Life. Natürlich drückt sich da Einsamkeit ebenso aus wie der Versuch, Verletzungen zu vermeiden. Beides ist in Così präsent. Die Männer glauben, mit den Gefühlen ihrer Geliebten gefahrlos herumspielen zu können; die Damen denken, es kann ihnen nichts passieren, weil ihre Partnerwahl so clever war. Zum Glück führen diese Fehleinschätzungen bei Mozart nicht nur zu Blut und Tränen, sonst hätten wir Moral und Langeweile, sondern auch zu beglückenden, wenn auch schmerzhaften neuen Erfahrungen. Für eine Inszenierung stellt sich heute besonders die Frage, was die Figuren voneinander wissen. Kennen die Damen Don Alfonsos Wette mit Ferrando und Guglielmo und lassen sich bereitwillig auf das Spiel ein oder werden sie von den Ereignissen und fremd erscheinenden Männern überrascht? In jeder Così-Aufführung gibt es irgendwann den Moment, von dem an es nicht mehr um Verkleidung und Verstellung geht. Und je weniger Dorabella und Fiordiligi sich dumm zu stellen gezwungen sind, umso besser. Mich interessiert eine offene Lorenzo da Ponte und Mozart nannten die Oper im Untertitel Die Schule der Liebenden. Was können wir heute in dieser Schule lernen? Eigentlich ist der Untertitel toll, denn »Schule der Liebenden« muss schiefgehen, für Schüler und Lehrer. Zum Glück kann man Liebe nicht lernen, nicht einmal wirklich verstehen, auch wenn das die Kunst seit Jahrhunderten versucht. Es gibt sie als Geschenk. Sie ist das Brutalste und Zarteste, was das Menschsein zu bieten hat, und wer glaubt, sie verdient zu haben oder in ihr gut zu sein, gehört bestraft. Und das passiert in Così ebenso wie die überraschende Beglückung. Mehrere Arien aus Così fan tutte gehören zu den großen Hits der Operngeschichte, Fiordiligis »Felsenarie«, Dorabellas Arie über den kleinen Dieb Liebe – welche Herausforderungen stellen diese berühmten Stücke für Sie dar? Mal sehen. Muss jeder Hamlet so tun, als hätte noch niemand auf der Welt »Sein oder nicht sein« über die Lippen gebracht oder kann es einen Reiz haben, wenn der verzweifelte Faust weiß, alle erwarten jetzt »Habe nun, ach...’« von ihm? Ich kann mir gut vorstellen, dass sich eine Fiordiligi genau dann in den Tenor verliebt, wenn sie ihn belauscht, wie er vermeintlich nur für sich ein traumschönes »Un’ aura amorosa« singt. Auch auf diese Vermischung der Ebenen bin ich gespannt. COSÌ FAN TUTTE 29

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