Puppenspieler aus Menschlichkeit Nikolaus Habjan bei den Bregenzer Festspielen WERKSTATTBÜHNE Nikolaus Habjan mit seiner Puppe Oskar Werner 24
»Ich bin von meinen Eltern so erzogen worden, dass jeder Mensch ein Mensch ist.« Dieser so selbstverständlich klingende Satz von Nikolaus Habjan hallt angesichts seiner künstlerischen Arbeit lange nach. Häufig eröffnen seine Stücke politische und gesellschaftliche Dimensionen, die überraschen, verstören und zum Nachdenken anregen. Und das im Puppentheater? Nein, im Theater mit Puppen, Theater durch Puppen, Theater von Puppen. Die wichtigste Grundlage für Habjans Arbeit scheint seine detailverliebte Beobachtungsgabe zu sein, seine Aufmerksamkeit für das Außergewöhnliche im Alltäglichen, das in seinen Puppen und deren Charakteren riesengroß wird. Bei den Bregenzer Festspielen ist der vielseitige Künstler in diesem Sommer in verschiedenen Rollen zu erleben. Für die Uraufführung von Otto M. Zykans Staatsoperette – Die Austrotragödie hat er mehrere Puppen gebaut und bringt den Darstellern das Spiel mit ihnen bei. Beim ersten Abend der Reihe Musik & Poesie wird Oskar Werner der von Habjan gebauten Puppe seine Stimme in Rainer Maria Rilkes Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke leihen. Anschließend wird er Opernarien pfeifen, begleitet von dem in Bregenz geborenen Pianisten Daniel Nguyen. Bei der offiziellen Eröffnung der Bregenzer Festspiele, live im ORF zu sehen, wird Habjan mit Puppen durch das Programm führen. In seiner Vielseitigkeit hat es Habjan mittlerweile an die ganz großen Theater geschafft. In der Inszenierung Der Herr Karl seines jahrelangen künstlerischen Partners Simon Meusburger spielte Habjan am Neujahrstag 2015 im Wiener Burgtheater, in der Eröffnungspremiere von Anna Badoras Intendanz am Wiener Volkstheater erregte Habjan mit seiner Puppe Aufsehen. Sein in Graz entstandenes Stück Das Missverständnis nach Albert Camus gehört mittlerweile zum Repertoire des Volkstheaters. Und bei den Münchner Opernfestspielen 2017 geht für ihn ein großer Traum in Erfüllung. Als Puppenspieler wird Habjan seine erste Oper inszenieren: Carl Maria von Webers Oberon. Damit folgt Habjan seiner eigentlichen Ausbildung, studierte er doch ab 2006 an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien Musiktheater-Regie. Seit er 1991 im Salzburger Marionettentheater Wolfgang Amadeus Mozarts Die Zauberflöte gesehen hat, brennt seine Leidenschaft für das Puppentheater und die Oper. Ab 2008 arbeitete er mit dem in Bregenz geborenen Regisseur Simon Meusburger am Schuberttheater Wien. Mit ihm zusammen entstanden mehrere Stücke, darunter Schlag sie tot, das jahrelang erfolgreich aufgeführt wurde. Gemeinsam mit Simon Meusburger durfte Nikolaus Habjan 2012 den begehrten österreichischen Theaterpreis Nestroy entgegennehmen. Als beste Off-Produktion wurde ihr Stück F. Zawrel – erbbiologisch und sozial minderwertig ausgezeichnet. Der in diesem Stück thematisierte Friedrich Zawrel musste erfahren, dass er ein wertloser Mensch sei, der während des Nationalsozialismus in der Wiener »Kinderfachabteilung« Spiegelgrund unter der Leitung des Anstaltsarztes Dr. Heinrich Gross grausame medizinische Experimente über sich ergehen lassen musste. 1944 gelang dem 15-Jährigen die Flucht. 1975 traf Zawrel wegen eines kleinkriminellen Delikts auf den Gerichtspsychiater Heinrich Gross, der nach dem Krieg als Gerichtsgutachter zu Ehren gekommen war. Er stufte Zawrel als »erbbiologisch und sozial minderwertig, seelisch abartig« ein, dieser wurde daraufhin für sechs Jahre inhaftiert. Es dauerte bis zum Jahr 2000, dass Heinrich Gross der Prozess gemacht wurde. Doch ein Gutachten bescheinigte ihm eine fortgeschrittene Demenz. Ohne verurteilt worden zu sein, starb Gross 2005. STAATSOPERETTE 25
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