ORCHESTERKONZERTE Auch in der halbszenischen Fassung von Das Rheingold möchte Johannes Erath Neues wagen und sein Publikum zum Staunen bringen. an verschiedenen Positionen um das Orchester platziert sind. Immer wieder geht es Erath in seinen Arbeiten darum, Neues zu wagen. Daher sein leidenschaftliches Plädoyer: »Wir müssen wieder versuchen, die Menschen zum Staunen zu bringen, denn das haben wir ein wenig verlernt.« Dieser Satz passt gut zu Wagners Kunstanschauung. Der Komponist erfand die deutschsprachige Oper mit mythologischen Sujets völlig neu. Das Orchester gestaltete er eigenständig sinfonisch und wie einen Kommentar zur Szene. So entwickelte er seine Idee eines Gesamtkunstwerks, in dem Bühnenbild, Handlung und Musik miteinander verschmelzen. Die von Wagner selbst verfassten Operntexte schöpfen aus vielen Quellen und dringen in die Tiefe der menschlichen Psyche vor. Sein Hauptwerk Der Ring des Nibelungen (mit den vier Opern Das Rheingold, Die Walküre, Siegfried und Götterdämmerung) ist eine Fortsetzungsgeschichte über den Weltmythos. Im Grunde nimmt er damit sogar das Konzept neuzeitlicher Kino-Mehrteiler wie Star Wars oder Der Herr der Ringe vorweg. Die erste komplette Aufführung des Rings fand vom 13. bis 17. August 1876 im extra dafür errichteten Bayreuther Festspielhaus statt. Das Publikum saß im weiten Halbkreis auf Holzsitzen, das Orchester wurde zugedeckt und der Zuschauerraum erstmals in der Operngeschichte abgedunkelt. Das Ergebnis war ein intensives Theater-Erlebnis ohnegleichen. Wagner erzählt im Ring bekanntlich eine ewig gültige Sage über Geld, Macht, Liebe und die Bewahrung der Natur. Die einst so mächtigen Götter haben ausgedient, den Menschen gehört die noch ungewisse Zukunft. Zur Heldin wird die Halbgöttin Brünnhilde, da sie durch echte Liebe und klaren Blick am Ende das einzig Richtige tut: den Rheintöchtern das geraubte Gold zurückgibt und so das Gleichgewicht der Natur wiederherstellt. Die männlichen »Erlöser« Siegmund und Siegfried hingegen scheitern und sterben tragisch. Das weiß auch Regisseur Erath, wenn er erklärt: »Alle Frauen warnen im Ring, und alle ihre Vorhersagen treffen auch ein, während die Männer den Karren einfach gegen die Wand fahren.« In der als »Vorabend« bezeichneten ersten Oper Das Rheingold ist die Essenz des Ring des Nibelungen in gut zwei Stunden zusammengefasst. Für Erath sagt das Stück bereits die abschließende Götterdämmerung voraus, denn als die Götter im Schlussbild von Rheingold über eine Regenbogenbrücke in die neuerbaute Burg Walhall einziehen, kommentiert der Feuergott Loge spöttisch: »Ihrem Ende eilen sie zu.« Beim Gang in die teuer und unehrenhaft bezahlte neue Heimstätte fühlt sich keiner von ihnen so richtig wohl. Für Erath ist Rheingold aber auch das »witzigste Stück von Richard Wagner« mit einer gewissen Situationskomik. Daher funktioniere diese Oper so wunderbar in einem Festkonzert, denn »es geht mir auch darum, eine sinnliche Matinee zu schaffen, die man genießen kann und von der man gut unterhalten wird«, so Erath. Das Publikum erwartet also ein Erlebnis für Augen und Ohren: mit prachtvollem Orchesterklang, singenden und spielenden Akteuren sowie szenisch-filmischen Elementen. Doch was haben uns diese uralten Götterwelten heute überhaupt noch zu sagen? Dazu meint Erath: »Wir sind in einer christlichen Kultur aufgewachsen, in der vermittelt wurde, dass Gott uns nach seinem Abbild geschaffen hat. Aber in den antiken und germanischen Mythologien und auch bei Wagner werden die Götter nach unserem Abbild erschaffen.« Wagners Götterfiguren sind demnach auch unser Spiegelbild, und wir erkennen uns in ihrem Verhalten wieder. Daher ist der ganze Ring für Erath auch immer »ein wenig wie Der Denver-Clan« – nur eben in einer ganz anderen Kunstform und mit einer zentralen Botschaft: Alles, was wir auf und mit der Welt machen, hat Konsequenzen. ORCHESTERKONZERT WIENER SYMPHONIKER Dirigent Andrés Orozco-Estrada Szenische Einrichtung Johannes Erath Richard Wagner Das Rheingold 1. August 2021 – 11.00 Uhr | Festspielhaus Die Orchesterkonzerte werden präsentiert von 16
DER NIBELUNGEN- SCHATZ IN VORARLBERG Mit der Wiederentdeckung der Handschriften C und A im Palast Hohenems begann im 18. Jahrhundert die Erfolgsgeschichte des Nibelungenliedes. Das Nibelungenlied gilt als das berühmteste Heldenepos der mittelhochdeutschen Literatur. Es erzählt vom Drachentöter Siegfried, der die schöne Königstochter Kriemhild umwirbt und heiratet, von dessen heimtückischer Ermordung durch Hagen, welcher auch Siegfrieds Schatz im Rhein versenkt, und von Kriemhilds blutiger Rache mit Hilfe des Hunnenkönigs Etzel. Um 1200 von einem unbekannten Dichter in Passau verfasst, beruht die strophische Dichtung auf den mündlich überlieferten Sagen vom Sieg der Hunnen über die Burgunder im Jahr 436 n. Chr. Zur Zeit der sogenannten Völkerwanderung trugen sich diese Geschichten bis weit über die Landesgrenzen hinaus. Künstler aller Gattungen verarbeiteten den Stoff in ihren Werken, so auch Richard Wagner in Der Ring des Nibelungen, und auch die Politik machte sich seine Helden zunutze. Seit 2009 zählen die Schriften zum Weltdokumentenerbe der UNESCO. In Hohenems widmet sich ein kleines Museum dem Nibelungen-Thema und dessen Umsetzung für Bühne und Leinwand (Öffnungszeiten auf www.schubertiade.at). Und wer weiß, vielleicht lohnt sich beim Besuch ein Umweg zum Hohenemser Alten Rhein, denn noch ist Siegfrieds Schatz verschollen … DAS NIBELUNGENLIED Im Laufe der Jahrhunderte geriet das Nibelungenlied in Vergessenheit. Das änderte sich, als 1755 und 1779 im Palast der Vorarlberger Kleinstadt Hohenems zwei Handschriften der Dichtung wiederentdeckt wurden. Es wird vermutet, dass die kunst- und literaturaffinen Grafen von Hohenems, Jakob Hannibal I. (1530 – 1587) und Caspar (1573 – 1640), die Schriften erworben hatten. Das Nibelungenlied, wahrgenommen als Kulturerbe der kämpferischen Germanen, wurde binnen weniger Jahrzehnte zum Epos einer ganzen Nation. In 39 Aventurien erzählt das Nibelungenlied von Liebe, Macht und Rachsucht. 17
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