SPIEL AUF DEM SEE Sie kleiden das Rigoletto-Ensemble auf der Seebühne in bunte Farben, Fantasieuniformen, Glitzer. Schwelgen in Materialien und Farben. Wie kamen Sie auf diese Ideen? Kathi Maurer: Ja das stimmt, wir schwelgen in Farben. So eine Zirkuswelt entstehen zu lassen, da ist ein Traum für mich als Kostümbildnerin in Erfüllung gegangen. Mit Rigoletto für die Seebühne haben wir, Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl, Bühnenbildnerin Heike Vollmer und ich, uns mehr als zwei Jahre lang intensiv beschäftigt und großen Spaß dabei gehabt. Wie entstehen ganz generell Ihre Ideen für Ihre Arbeit? Zuerst einmal durch die Auseinandersetzung mit dem Werk und natürlich in vielen Gesprächen mit dem Regieteam. Erst dann setze ich mich an meinen Zeichentisch, blättere meine Bücher durch – die ganze Palette der Kunstgeschichte. Oder ich hole mir Anregungen in Filmen, in Ausstellungen. Es kann aber auch passieren, dass ich auf eine Idee komme, wenn ich zum Beispiel in der Straßenbahn einen interessanten Menschen sehe, der in das aktuelle Stück passen könnte. Die Figuren entwickle ich dann zeichnerisch, bis ich die ersten Entwürfe ans Regieteam zur Diskussion gebe. Findet der Gedankenaustausch via Bildschirm statt oder analog? Beides ist möglich. Mir ist aber das direkte Gespräch im Atelier lieber. Hier hängen alle meine fertigen Figurinen nebeneinander an der Wand. Man sieht sofort, ob sie zusammenpassen, ob sie korrespondieren. Man kann auch mal gemeinsam ein Buch durchblättern, Bilder abhängen, austauschen. Die künstlerische Zusammenarbeit ist viel inspirierender, wenn man sich wirklich gegenübersitzt. Es geht natürlich nicht immer, dass man sich trifft. Aber Philipp und ich wohnen beide in Berlin, da klappt das ganz gut. Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit? Dass ich ganze Figuren erfinden darf und nicht nur ihre Kleidung. Zum Kostümbild gehört die Gesamterscheinung: Kleidung, Schuhe, Frisur, die Art, wie jemand geschminkt ist. Eigentlich ist das so, als würde ich Kunstblumen erschaffen, etwas zum Leben erwecken, das es noch nicht gibt. Wann wissen Sie, wer konkret in diesen Kostümen stecken wird? Im Idealfall, wenn ich noch zeichne. Dann kann ich mir das Gesicht, den Körper dazu vorstellen. Ich überlege, was an dem Menschen schön aussehen würde, wie er oder sie sich wohlfühlen könnte, und natürlich, was richtig wäre für die Theaterfigur. Die Künstlerinnen und Künstler sollen ja nicht ein Kostüm aufgepflanzt kriegen, das ihnen nicht entspricht. Sie haben 2019 zum ersten Mal für die Seebühne gearbeitet. Was ist in Bregenz anders? Die eigentliche Herausforderung ist die Größe der Bühne. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sind sehr weit weg, die Figuren sind klein. Man muss schon sehr genau überlegen, wie man sie wiedererkennbar macht. Wir haben dazu für Rigoletto ein klares Farbkonzept geschaffen: Die Welt des Herzogs ist in Rottönen gehalten, Rot gilt als Farbe der Macht. Gilda trägt als einzige Blau, die Farbe der Sehnsucht. Rigoletto ist der Einzige in Gelb. Gelb war immer die Farbe der Narren. Die zweite große Herausforderung: Es gibt Fernseh-Aufzeichnungen, und die Kostüme müssen auch aus der Nähe gut wirken, den Kameras standhalten. Jedes Kostüm lebt ja durch das Detail. Oft sind es die Knöpfe, die Dekorationen oder die Nähte, die es erst lebendig machen. Und dann wäre da noch das Wetter ... Ja, es kann sehr heiß werden oder auch in Strömen regnen. Das alles muss ein Kostüm aushalten. Der Hofstaat des Herzogs als buntes Gauklervolk - das Regieteam von Rigoletto versetzt Verdis Oper in eine fantastische Zirkuswelt. 6
Vom Entwurf, der sogenannten Figurine, auf die Bühne: In Handarbeit wurden die Kostüme für Rigoletto im Atelier der Bregenzer Festspiele erschaffen. RIGOLETTO Manchmal muss das Kostüm ja auch ins Wasser ... Dann pocht das Herz der Kostümbildnerin heftig. Aber unsere Kostüme haben bis jetzt alles gut überstanden. Sie sind fast noch schöner geworden, durch das Leben, das da reingekommen ist. Bei der Materialauswahl muss man am See wahrscheinlich umdenken? Das dachten wir anfänglich auch, es ist aber eigentlich nicht so. Für die Livreen haben wir beispielsweise Stoffe einer englischen Firma verwendet, die seit Jahrhunderten Uniformstoffe herstellt, aus richtig strapazierfähiger Wolle. Das funktioniert sehr gut. Auch die anderen Stoffe sind ganz gebräuchliche, aber eben qualitativ hochwertige Kleiderstoffe und haben alle Strapazen gut überlebt. Muss eine Kostümbildnerin eigentlich nähen können? Nein. Im Nähatelier der Bregenzer Festspiele mit der Kostümchefin Lenka Radecky und der Gewandmeisterin Janina Kobinger arbeitet ein tolles Team. Aber natürlich muss man sich als Kostümbildnerin mit Stoffen und Materialien gut auskennen und auch ein Gespür dafür haben. Sie haben auch Bühnenbild studiert, warum konzentrieren Sie sich aber auf das Kostüm? Richtig, ich habe bei einem wunderbaren Professor, Achim Freyer, an der Hochschule der Künste in Berlin Bühnenbild studiert. Ich fand das damals vernünftig, weil sich viele Theater nicht beides, Bühnenbildnerinnen und Kostümbildnerinnen, leisten können und habe es tatsächlich nie bereut. Trotzdem bin ich zu meiner großen Liebe, dem Kostüm, zurückgekehrt. Ich wollte das immer schon machen. Immer schon? Bereits als kleines Mädchen habe ich für die Puppenstube historische Kleider, die ich im Museum gesehen hatte, geschneidert. Rokoko-Kostüme und Kleider der 1920er-Jahre haben mir besonders gefallen. Die Mutter meiner besten Freundin war Schneiderin, in deren Werkstatt sind wir gesessen, haben genäht und Radio gehört. 7 Haben Sie die Entscheidung für das Theater während des vergangenen Jahres bereut? Nein. Es war zwar traurig, dass geplante Inszenierungen nicht stattfinden konnten und vielleicht auch nie stattfinden werden. Die Figurinen liegen in der Schublade und warten auf ihren Auftritt … Ich habe die unerwartet viele Zeit mit meiner Familie sehr genossen und wieder mehr gemalt. So ist ein gemaltes Corona-Tagebuch entstanden. Es zeigt, wie ich meine Umwelt in diesem Jahr erlebt habe. KATHI MAURER ist Kostümbildnerin für Oper und Schauspiel, u. a. für die Staatsoper Unter den Linden und die Deutsche Oper Berlin, die Kammerspiele München, die Volksoper Wien und das Theater Basel. Sie wurde in München geboren und studierte in London und Berlin, wo sie auch heute mit ihrer Familie lebt.
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