THEATER AM KORNMARKT 24
EINE EIGENE SPRACHE FÜR ZWEI STUNDEN THEATER Für Jan Bosses Inszenierung von William Shakespeares Der Sturm hat der Autor Jakob Nolte eine neue, besondere Übersetzung dieses faszinierend rätselhaften Textes angefertigt. Im Gespräch gewähren der Übersetzer und der Regisseur Einblicke in ihre Ideen und Arbeitsweisen. DER STURM Worum geht es eigentlich in William Shakespeares Sturm? Jakob Nolte: Es hat eine Weile gebraucht, bis ich diese Frage einigermaßen für mich beantworten konnte, weil ich es für ein doch unübersichtliches Stück halte. Jetzt würde ich sagen, dass es für mich um Verrat geht, um die Folgen von Verrat und eine Welt, die auf Verrat beruht. Der Auslöser ist der Verrat des Bruders am Bruder. Bei Shakespeare steht er noch in königlichen Kontexten, weswegen die Folgen auch internationale Auswirkungen haben. Die Usurpation, die Sehnsucht nach Macht, der Wunsch nach oben zu kommen – das wären Beschreibungen für andere thematische Schwerpunkte. Aber im »Machthunger« gibt es immer wieder den Verrat oder die Angst davor, hintergangen zu werden, und andersherum natürlich das Vertrauen. Ariel vertraut lange, dass Prospero ihn irgendwann befreit. Miranda vertraut ihrem Vater, sie, die noch nie Männer gesehen hat und von ihrem Vater über den schönen Mann, den sie sieht, hört, es gebe noch viel bessere. Das Vertrauen in diesem sozialen Gefüge ist von Grund an gestört, weil es auf einem Verrat basiert. Wie kam es zur Entscheidung, Shakespeares Sturm für diese Inszenierung neu übersetzen zu lassen? Jan Bosse: Wir dachten, wir brauchen einen starken poetischen Zugriff eines Autors oder einer Autorin, um für die Fremdheit, die 25 in dieser Welt beschrieben wird, einen Ausdruck in der Sprache zu finden. Die Erfahrung mit Jakob Nolte bei Don Quijote, der auch bei den Bregenzer Festspiele zur Premiere kam, war sehr positiv. Das war ja keine Übersetzung, sondern eine kluge und kraftvolle Bearbeitung von Cervantes’ Text. Ich war verliebt in diese Art der Sprache und konnte mir den Sturm mit ihm gut vorstellen. Welches Thema bot den Ausgangspunkt für das Inzenierungskonzept? Bosse: Mich hat am meisten interessiert, dass das Stück auf einer Insel spielt. Die Vorgeschichte ist zwölf Jahre her, es geht viel um Erinnerung, aber nicht in einem psychologischen, sondern
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