26
ES WIRD »VERY EPIC« Es geht um nichts weniger als um die Geburt und den Fall des Patriarchats. Aber spielerisch erzählt. Mit Barockinstrumenten und Folk-Songs. Philip Venables und Ted Huffmann bringen diesen Sommer die »Faggots and Their Friends« auf die Werkstattbühne. Seine Lieblingsstelle? Philip Venables springt vom Sofa auf und zieht ein Buch mit rubinrotem Einband aus einem Regal. Es ist Larry Mitchells 1977 erschienene Erzählung The Faggots and Their Friends Between Revolutions, die sich international zum echten Geheimtipp mauserte. In Deutschland harrt es bislang noch seiner Entdeckung. Der in Berlin- Kreuzberg lebende britische Komponist blättert einen kurzen Moment durch die Seiten, bis er findet, was er sucht. »Diese Szene mag ich sehr: The men with papers. Es geht um Geld und Verträge. Um diese ganze Bürokratie.« Es ist eine Stelle, an der die Absurditäten und Attitüden eines von toxischer Männlichkeit geprägten Systems in einfachen Sätzen entlarvt werden. Ramrod: So nennt sich ein brutales Regime, in dem »die Männer« nach einer ersten Revolution die Herrschaft an sich reißen. Sie unterwerfen Frauen, Schwule und alle anderen Menschen, die nicht in ihr heteronormatives Raster passen. Bald entfremden sich die Unterdrücker durch ihren Hass von sich selbst. Die Männer lieben Papiere. Sie lieben es, sie zu unterschreiben, zu archivieren und mit ihnen zu handeln. Wenn genug Männer, die von den Männern für wichtige Männer gehalten werden, ein Papier unterschreiben, wird es berühmt. Die Männer glauben, dass bestimmte Papiere heilig sind und lagern sie in unterirdischen Verstecken, wo sie gehortet und beschützt werden. Wer genug von solchen Papieren anhäuft, kann reich und mächtig werden. Zum Glück gibt es da noch die »Faggots« und andere Angehörige queerer Gruppen, die sich in unterschiedliche Stämme mit phantasievollen Selbstbezeichnungen aufteilen: die urbanen »Queens« etwa, die glauben, dass einzig der persönliche und ästhetische Stil den Weg zum wahren Selbst weisen kann. Oder die esoterisch angehauchten »Fairies«, die aufs Land fliehen, wo sie Gemüse anbauen und darauf warten, dass sich die ökologisch ausgebeutete Mutter Erde gegen »die Männer« zur Wehr setzen wird. Die Fairies verwenden ihre Papiere, um Feuer zu machen und im Winter die Bäume einzuwickeln. Die Faggots werfen ihre Papiere weg, wenn sie beim Frühjahrsputz den Wintermuff beseitigen. Die Queens benutzen ihre Papiere, um sich den Hintern abzuwischen. Die »Faggots and Their Friends« haben sich in ihre Nischen zurückgezogen. Es sind Communities, in denen eine anarchische Lebensfreude herrscht – und wo die Geflüchteten frei sind von Rollenzwang und sexueller Repression. Sie feiern, veranstalten Orgien, erzählen sich Geschichten und betätigen sich künstlerisch. Doch irgendwann wollen sie die Schikanen ihrer Unterdrücker nicht mehr hinnehmen. Angestachelt von den Frauen, mit denen sie befreundet sind, entschließen sie sich zur Konterrevolution. THE FAGGOTS AND THEIR FRIENDS BETWEEN REVOLUTIONS 27
Laden...
Laden...
Facebook
Instagram
Youtube
Twitter