JUNGE FESTSPIELE Sie sind Schlagzeuger bei den Wiener Symphonikern und leiten seit über 20 Jahren Konzerte als Dirigent. Woher kam das Interesse an einem »Postenwechsel«? Martin Kerschbaum: Mit dem Dirigieren habe ich im Jahr 2000 begonnen und seither neben dem Orchesterdienst mit den verschiedensten Ensembles gearbeitet, unter anderem mit den Wiener Symphonikern, aber auch mit dem Symphonieorchester Vorarlberg. Früher habe ich sehr viele Schlagwerk-Kurse gehalten und in einem Kurs war ein Schlagzeuger namens Christoph Indrist, der auch beim Vorarlberger Blasmusikverband tätig ist. Dieser hat mich darauf angesprochen, ob es nicht eine gute Idee wäre, so ein Projekt in Bregenz zu starten. Wir haben uns zusammengesetzt, ein Konzept ausgearbeitet und das sowohl dem Blasmusikverband als auch den Bregenzer Festspielen angeboten, da wir Partner brauchten. So ist diese Kombination aus Christoph und mir entstanden, mit der Idee, viele meiner Kolleg:innen von den Wiener Symphonikern als Gruppenleiter:innen für die Stimmproben der einzelnen Instrumente zu bestimmen. Student:innen spielen, da kommt sehr viel Begeisterung zurück. Diese »US-amerikanischen Orchester« sind Brassbands? Was macht solche Bands aus? Genau, das sind hauptsächlich Brassbands, also Orchester aus Blasmusiker:innen und Schlagwerk. Einige sind auch mit Streichinstrumenten, aber primär werde ich von Brassbands eingeladen. Sie geben ein Konzert mit symphonischer Blasmusik. Was kann man sich darunter vorstellen? Es ist ein bisschen gefährlich, weil die Leute den Ausdruck nicht gut kennen. Daher ist es wichtig zu sagen, dass symphonische Blasmusik eben nicht die volkstümliche Blasmusik im Sinne von Märschen, Polkas und so weiter ist. Symphonische Blasmusik besteht aus sehr vielen Werken der klassischen Orchesterliteratur, die speziell für diese große Besetzung arrangiert wurde. Es gibt auch unglaublich viele wunderbare Stücke, die gezielt im Stile eines großen symphonischen Orchesters komponiert wurden. Ich musste mich auch erst einlesen. Das war für mich eine neue Welt, denn ich komme ursprünglich aus der Klassik. Diese Stücke sind extrem schwer zu spielen, das wusste ich bis dahin nicht. Blasmusik, das spielt man halt. Deshalb, und das ist auch wichtig, dürfen nur Leute bei diesem Camp mitspielen, die Goldniveau haben, »Symphonische Blasmusik war für mich eine neue Welt.« MARTIN KERSCHBAUM Was interessiert Sie an Blasmusik und der Zusammenarbeit mit jungen Menschen? Ich habe an der Musik-Universität in Graz Schlagwerk unterrichtet und dort 15 Jahre lang das Universitätsorchester geleitet. Mir macht es einfach Spaß, mit jungen Leuten zu arbeiten. Ich werde oft für ein Coaching oder zu Proben mit US-amerikanischen Orchestern eingeladen, die nach Europa kommen. Das findet mehrmals im Jahr statt und ist einfach eine tolle und für mich sehr sinnvolle Aufgabe. Mich freut vor allem, wie rasch das Niveau gestiegen ist; es war für mich überraschend positiv zu sehen, wie toll diese jungen 28
also das höchste Niveau, das es in Österreich gibt, oder eben das gleiche Niveau aus einem anderen Land. Wir geben das vor, nicht weil wir böse sind und ausschließen wollen; aber diese Literatur ist unter anderem so anspruchsvoll in ihrer Notation, dass weniger Fortgeschrittene keinen Spaß daran hätten und das die Probenzeit verlängern würde. Wir haben nur fünf Tage. Ich glaube, das wird gerechtfertigt durch den Erfolg der letzten zehn Jahre. Sie möchten junge Menschen bereits zum sechsten Mal im Blasmusikcamp zu symphonischer Blasmusik motivieren. Wie ist Ihnen das in den letzten Jahren gelungen? Was für Feedback erhalten Sie? Das schaffe ich natürlich nicht alleine, da gehören auch meine Kolleg:innen dazu, welche die Teilproben leiten und dabei unglaublich Tolles leisten. Das Spannende an diesem Projekt ist auch, dass die Teilnehmer:innen nicht nur diese Literatur spielen, sondern auch Kontakt zu diesen Spezialist:innen bekommen, zu einem Solotrompeter oder einer Solohornistin. Sie würden sich vielleicht sonst nie trauen, zu denen hinzugehen. Jetzt verbringen sie fast eine Woche gemeinsam und können eine unglaubliche Beziehung aufbauen. Es hat schon viele Student:innen gegeben, die dann den Weg auf die Universität gefunden haben oder anschließend Privatstunden genommen haben. Das Camp hat eine tolle Auswirkung, das macht das Ganze sinnvoll und nachhaltig für den Lebenslauf der Teilnehmer:innen. Mich freut auch, dass das Konzert des IBC jedes Jahr vom ORF Vorarlberg übertragen wird. Das ist wichtig, damit das Publikum alles nachhören kann; aber eben auch ein toller Motivationsfaktor für die jungen Musiker:innen. Es ist aufregend, das erste Mal im Festspielhaus zu spielen, während im Rundfunk auch noch live aufgenommen wird. Da kann man nicht viel herumkorrigieren und das macht es sehr spannend, das erhöht den positiven Effekt der Konzentration. Ein musikalischer Verweis auf das diesjährige Programm der Bregenzer Festspiele ist nicht von der Hand zu weisen. Wie sehr wollen Sie an das Festival anknüpfen und was haben Sie dafür programmiert? Das Programm mache immer ich, natürlich in Absprache mit den Festspielen, weil wir darauf Bezug nehmen wollen, aber wir wollen kein paralleles Projekt sein. In diesem Jahr spielen wir eine Butterfly- Fantasie und einen berühmten Marsch aus der Hausoper Ernani von Giuseppe Verdi. Wir versuchen damit, Leute einzuladen, die für diese Komponisten auch zum regulären Festspielprogramm kommen. Konkret ist es nicht immer ganz einfach, etwas zu finden, das sinnvoll und gut ist, aber in diesem Jahr wird es, glaube ich, sehr spannend und interessant. Haben Sie ein persönliches Highlight im Konzert? Ich freue mich auf die ganz spezielle Mischung aus Filmmusik und klassischen Stücken, vor allem auf den Tanz aus Salome von Richard Strauss – eine extrem schwere Oper, aber wirklich fantastisch für symphonisches Blasorchester. Die Proben werden sicherlich wieder toll. Ich bin immer wieder aufs Neue überrascht, wie das funktioniert, denn mir fehlen die Streichinstrumente nicht. Ich kenne diese Stücke mit dem normalen Symphonieorchester und wenn man diese Arrangements hört, hat man nie das Gefühl, dass etwas fehlt. Viele Leute aus dem Publikum kommen nachher zu mir und sagen dasselbe: Der Klang ist da, auch in der Rigoletto–Fantasie, die wir vor zwei Jahren gespielt haben. Das ist eine große Besonderheit. JUNGE FESTSPIELE BRASS APPASSIONATO BLASORCHESTERMATINEE Musikalische Leitung Martin Kerschbaum Absolvent:innen und Dozent:innen des 6. Internationalen Blasmusik-Camps 13. August 2023 – 11.00 Uhr Festspielhaus | Großer Saal Alfred Reed The Golden Year. An Anniversary Celebration for Winds Giuseppe Verdi Marsch aus der Oper Ernani, bearbeitet für Blas- orchester von Hermann Egner Giacomo Puccini Fantasie über die Oper Madame Butterfly für Blasorchester Richard Strauss »Salomes Tanz« aus der Oper Salome, bearbeitet für Blasorchester von Mark H. Hindslay Irving Gordon Unforgettable, bearbeitet für Blasorchester von Toshio Mashima Gustav Holst »Jupiter, the Bringer of Jollity«, Nr. 4 aus: The Planets. Suite für großes Orchester op. 32, bearbeitet für Blasorchester von Geert Schrijvers John Williams »The Imperial March (Darth Vader’s Theme)« aus der Filmmusik zu Star Wars: The Empire Strikes Back, bearbeitet für Blasorchester von Stephen Bulla Harold Arlen und Edgar Yipsel Harburg / James Barnes Medley aus der Filmmusik zu The Wizard of Oz für Blasorchester Amilcare Ponchielli »Tanz der Stunden«. Ballettmusik aus dem 3. Akt der Oper La Gioconda, bearbeitet für Blasorchester von Carlo Morino, rev. von Simon Katz BRASS APPASSIONATO 29
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