TURANDOT und gibt damit seinerseits der Oper ein großes Rätsel auf. Mehrere Jahre rang er mit seinen Librettisten um die richtigen Worte für das Schlussduett. Ob er sie gefunden hätte, wenn er nicht 1924 seiner Krankheit erlegen wäre, bleibt fraglich. Der Anspruch, den er sich und seinen Mitstreitern gestellt, war ebenso hoch wie Calafs Liebesideal: »Es muss ein großes Duett sein. Diese beiden Wesen, die sozusagen außerhalb der Welt stehen, kehren durch die Liebe unter die Menschen zurück, und diese Liebe muss durch einen abschließenden Orchestersatz von allen Personen auf der Bühne Besitz ergreifen.« Diese Überwältigung durch die Liebe ist Franco Alfano, der aus Puccinis Skizzen einen Schluss für die Oper komponiert hat, dennoch gelungen: Ergriffen und berauscht von Turandots und Calafs Liebe be singen sie die Kraft der Sonne. » Vater, ich kenne den Namen des Fremden. Sein Name ist ... Liebe. « Dieser unbekannte Prinz – er heißt Calaf – hat sich trotz aller Warnungen auf Turandots Rätsel eingelassen. Seit er sie nur kurz erblickt hat, ist er gebannt von ihrer Erscheinung und möchte sie erobern. Puccini vergrößert das Rätsel um seine Hauptfigur, indem er Turandot im ersten Akt nur erscheinen, aber nicht singen lässt – stattdessen gibt sie das Zeichen, den zuletzt Gescheiterten köpfen zu lassen. Diesem brutalen Urteil scheint Calaf durch die Lösung der Rätsel entgehen zu können, doch was macht er, als sie sich hilfeflehend an ihren Vater wendet, damit dieser sie nicht in die Fänge eines Mannes lässt? Er stellt ihr seinerseits ein Rätsel: Wenn sie seinen Namen bis zum nächsten Morgen herausfindet, ist er bereit zu sterben. Ihm genügt es nicht, Turandot erobert zu haben, er begehrt ihre wahre Liebe. Und auch hier gelingt Calaf das scheinbar Unerreichbare: Am Ende wird Turandot ihrem Vater die Identität des Fremden sagen: »Sein Name ist ... Liebe.« Wie diese Wandlung klingen soll, konnte Puccini nicht mehr vollenden 12 DIE HANDLUNG Mit einem brutalen Schwur hält sich die chinesische Prinzessin Turandot die Männer vom Leib: Wer sie erobern möchte, muss drei Rätsel lösen. Scheitert er, wird er geköpft. Das Volk liebt dieses schauderhafte Spektakel. Der unbekannte Prinz Calaf trotzt den Warnungen seines Vaters Timur und von Turandots Ministern Ping, Pang, Pong und stellt sich den Fragen. Als erster löst er alle drei Rätsel. Turandot fleht ihren alten Vater um Hilfe an, sie nicht in die Fänge des Mannes zu entlassen. Calaf stellt nun seinerseits ein Rätsel: Findet Turandot bis zum nächsten Morgen seinen Namen heraus, ist er bereit zu sterben, andernfalls muss sie ihn lieben. Die Begleiterin von Calafs Vater, Lìu, kennt als einzige Namen des von ihr geliebten Prinzen, gibt ihn aber selbst unter Folter nicht preis, sondern bezahlt ihr Geheimnis mit dem Tod. Turandots Kälte wandelt sich in warme Liebe, sie gibt sich Calaf hin und lässt das unerwartete Glück von allen feiern.
Drei Mal Turandot TURANDOT MLADA KHUDOLEY KATRIN KAPPLUSCH »Turandot ist für mich ein Stück über Macht, Angst und Isolation. Eine traumatisierte Frau ist gefangen in ihrer Angst vor Verletzung. Und so benutzt sie ihre eigene Macht, um sich vermeintlich zu schützen. Sie lässt töten, um eine eigene Verletzung zu vermeiden. Sie wirkt auf alle kalt und unmenschlich – dieses Image ist ihr Schutzschild. Ob Calaf, der Furchtlose, sie erkennt und liebt oder ob ihn nur Eroberung reizt? Der entscheidende Kuss kann Vernichtung oder beginnende Heilung für sie sein.« »Turandot ist eine herausragende Rolle für jeden Sopran. Wer sie singen kann, gilt als wirklich erfahrene Sängerin. Diese Prinzessin ist eine märchenhafte und schöne Legende. Am besten wird sie von Ping, Pang, Pong beschrieben: ›Turandot non esiste! (Turandot gibt es nicht!)‹ Sie ist ein großes Rätsel für uns alle.« ERIKA SUNNEGÅRDH »Mir erscheint die Sichtweise, dass Turandot eine eiskalte Prinzessin ist, die dann eine Wandlung durchläuft, etwas altbacken. Vielmehr sehe ich die Herausforderung, sie als gefühlvolle, verwundbare Frau zu portraitieren, die versucht sich selbst zu schützen, sich dabei aber mit Distanz und Gewalt verdeckt. So gesehen können wir uns glücklich schätzen, die Enthüllung einer Frau mitzu erleben und nicht das Brechen einer eiskalten Prinzessin.« 13
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