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Festspielzeit Winter 2014

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Das Magazin der Bregenzer Festspiele

Sie stehen vor Ihrer

Sie stehen vor Ihrer ersten Saison als Festspiel-Intendantin und hatten im Vorfeld erwähnt, dass nicht nur von dem Festival selbst, sondern auch vom Bodensee eine Faszination ausgeht, der Sie nicht widerstehen konnten. Was ist das besondere dieses Ortes? INTERVIEW ELISABETH SOBOTKA Elisabeth Sobotka: Die Offenheit – und das meine ich in jeder Hinsicht. Die Weite des Sees lässt bei mir eine innere Öffnung entstehen und verändert Sichtweisen. Man kann von Bregenz aus übers Wasser weit in die Ferne blicken und erfährt dabei im Wortsinn eine Horizonterweiterung auch in einer spirituellen Dimension. Der Bodensee ist eine halbe Ewigkeit hier an diesem Ort existent. Er kann heute eine wilde Brandung haben, morgen hingegen ein friedliches Wellenplätschern. Diese Kombination aus Beständigkeit und Abwechslung empfinde ich als unglaublich bereichernd. Mir geht ganz einfach die Seele auf, wenn ich übers Wasser blicke. Kunst will auch Sichtweisen verändern. Verdichtet sich dieser Anspruch also auf der Seebühne, weil die Natur bereits selbst eine Aussage trifft? Ich glaube schon. Das Kunsterlebnis auf der Seebühne öffnet sich einem größeren Rahmen – dem See, dem Horizont, der Luft, dem Sonnenuntergang. Im Zusammenspiel mit der Naturkulisse verbindet sich Oper zu einer neuen musiktheatralischen Einheit. Diese Erfahrung ist einzigartig. Auch deswegen fiel die Wahl auf Turandot. Ich habe mir wieder und wieder die berühmte Arie »Nessun dorma!« in einer lauen Sommernacht vorgestellt und gefragt, wie deren Wirkung am Ufer des Bodensees sein würde. Lieber nicht schlafen, sondern unter freiem Himmel an die Kraft der Liebe glauben. Das passt ganz einfach hierher an diesen Ort. Das Spiel auf dem See zieht jeden Sommer 200.000 Menschen an. Mit diesem Erfolg steht und fällt der wirtschaftliche Erfolg des gesamten Festivals unabhängig von den künstlerischen Leistungen an anderen Spielorten. An sich ist es faszinierend, dass große Kunst auch Geld verdienen und ein großes Publikum ansprechen kann. Das war mit ein Grund für mich, in Bregenz zu beginnen. Das gibt es in dieser Form sonst nirgends. Die Kraft der Seebühne ist nun einmal so groß, wie sie ist – im Guten wie im Schlechten. Entscheidend ist zu wissen, dass diese Übermacht auch erdrückend werden kann und nicht überstrapaziert werden darf, was die finanzielle Abhängigkeit betrifft. Ein Positiveffekt ist, dass die Größe eines einzigen Spielortes zur Finanzierung anderer Programmreihen beiträgt. Das finde ich grandios: Kunst finanziert Kunst. Wie wichtig sind die Ihnen die weiteren Spielorte? Meine Überzeugung war es immer, dass die künstlerische Gesamtheit des Festivals entscheidend ist und weiter gestärkt werden soll. Der See ist wichtig, aber nicht alles. Kunst will und muss permanent Neues ausprobieren, andernfalls wäre sie irgendwann tot. Während am See ein qualitativ hochwertiger Unterhaltungsanspruch im Zentrum steht, experimentieren wir auf der Werkstattbühne mit Musiktheater. Im Festspielhaus geht es auch um Neues und Einzigartigkeit, aber in anderer Form. Regisseur Stefan Herheim hat sich bisher nicht an Hoffmanns ELISABETH SOBOTKA ist Intendantin der Bregenzer Festspiele. Davor war sie über sechs Jahre an der Grazer Oper. 6

Erzählungen heran getraut, wie er sagt. Mit seiner Phantasie und seiner Herangehensweise ist er aber der perfekte Regisseur für dieses Werk an genau diesem Ort. Im Kern der Oper wird die Frage beleuchtet: Was ist Kunst, warum machen wir das alles und was bedeutet Gesang für uns? Auch deswegen habe ich dieses Stück in meiner ersten Saison ausgewählt, weil essentielle Fragen unseres Schaffens gestellt werden. Sängerinnen und Sänger liegen Ihnen besonders am Herzen. Woher kommt diese Begeisterung? Lassen Sie es mich mit einer Art Initiations-Erlebnis beschreiben, das ich in meiner Jugendzeit an der Wiener Staatsoper hatte. Placido Domingo sang »E lucevan le stelle« aus Tosca. Kraft und Ausdruck seiner Stimme haben mich überwältigt. Auch ohne den Text konkret kennen zu müssen, hat allein seine Stimme eine Geschichte erzählt. Das war ein Gänsehautmoment, den es bei mir auch heute noch gibt, wenn eine Stimme das besondere »Etwas« hat. Daher stammt wohl meine ganz große Liebe zu Sängerinnen und Sängern. Jacques Offenbach taucht neben der Oper im Festspielhaus auch bei einem Orchesterkonzert und bei Musik & Poesie auf, andere Künstler sind ebenfalls an unterschiedlichen Spielorten vertreten. Verbindungen aufzuspüren und diese dann programmatisch herauszuarbeiten und dem Publikum zu präsentieren, finde ich generell spannend, nicht nur für Festspiele. Einen Komponisten von einer anderen Seite kennen zu lernen – beispielsweise Puccini mit seiner Messa di Gloria – empfinde ich als Bereicherung. Das soll aber nicht dogmatisch verstanden werden. Es gibt keine Grundregel, die besagt, es müssten unbedingt künstlerische Querverweise gefunden werden. Nein, es kommt aus der Beschäftigung mit einem Künstler heraus oder mit einem Werk. Ich möchte solche Dinge aus sich selbst heraus entstehen lassen und nicht krampfhaft antreiben müssen. Sie hatten bei ihrer Vorstellung als designierte Intendantin im Sommer 2012 damit geliebäugelt, bald einen Segelkurs machen zu wollen. Haben Sie das Bodensee-Schifferpatent schon in der Tasche? (lacht) Ich lass zunächst einmal meinem Sohn Felix den Vortritt und mir berichten, wie das so vor sich geht. Aber im Ernst: Zwischenzeitlich habe ich festgestellt, dass ich am liebsten auf den See draufschaue und gar nicht unbedingt drin schwimmen oder darauf segeln muss. Der Blick aus meinem Büro über den Horizont lässt meine Gedanken fliegen. Der See wird dabei zu einer Art Reflexionsfläche. Zu Turandot würde ohnehin besser ein chinesisches Drachenboot passen. Vielleicht mache ich im Sommer das Ruderpatent. Die Fragen stellte Axel Renner. INTERVIEW ELISABETH SOBOTKA War das der Grund, erstmals ein Opernstudio bei den Festspielen anzubieten? Junge Sänger und Sängerinnen brauchen viel Pflege, um sich und ihre Stimme entwickeln zu können. Man muss sich um sie kümmern, ihnen Wege und Möglichkeiten aufzeigen und auch so gut es geht Geborgenheit bieten. Das ist mein Wunsch generell und im Speziellen für junge Sänger. Das Opernstudio soll genau das können: in einer hochprofessionellen Umgebung jungen Sänger helfen, sich zu entwickeln und dabei gleichzeitig eine besondere Atmosphäre schaffen, in der man sich wohl fühlt und die eigene Persönlichkeit stärkt. Und natürlich soll am Ende eine Così fan tutte dabei heraus kommen, die dem Publikum Freude bereitet. Es ist eine Investition in die Zukunft, davon bin ich überzeugt. »Kunst will und muss permanent Neues probieren.« 7

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