Unsere vier Künstler beherrschen ihre Mittel und haben Spaß daran. Warum irren sie sich? Vielleicht verstehen sie ihre Kunst etwas zu sehr als Handwerk und unterschätzen die existentiellen Fallen, die drohen, wenn man mit Musik und Gefühlen unbedacht als Spielzeug herumexperimentiert. Dass sie die persönlichen Wechselbäder von gefühlter Selbstauflösung und vorübergehend beglückender neuer Partnerschaft sehenden Auges riskieren, darf aber nicht zu Harmlosigkeit, sondern sollte zu mehr Schärfe und zunehmender Rücksichtslosigkeit der Verhaltensweisen führen. Von einer Steigerung der Grenzverwischung von Spiel und Realität verspreche ich mir einen höheren Grad an Identifikation der Sängerinnen und Sänger mit ihren Bemühungen. Mehr und mehr ist der ganze Mensch und Künstler im Spiel. Erfolgloses Werben bedeutet gleichzeitiges Versagen als Sänger. Ihre Potentiale als Täter und die Heftigkeit ihrer Empfindungen im Verlust übersteigen ihr anfängliches Vorstellungsvermögen. Die Musik potenziert alles, bringt Verdrängtes ans Licht, macht Nuancen und den drastischen Wechsel von Leichtigkeit und Dramatik hör- und miterlebbar, bringt beides zusammen, manchmal in ein und demselben Moment. 14
Fachleute analysieren in der Musik südländisches Flair, verspieltes Rokoko und Vorboten von Romantik. Alle sind sich über die Vielfalt und Vielfarbigkeit einig, sei sie nun „inkommensurabel“ oder nicht. In unserem Konzept steht diese Uneinheitlichkeit dem Sänger als musikalisch und emotionales Material zur Verfügung. Er muss sie nicht bewältigen, sondern kann sie erfinden und benutzen. Wann immer leicht und mutig Begonnenes in Tiefe und Kompliziertheit kippt, kann das bewusst bemerkt und erlebt werden. Besonders genussvolles Einsteigen ins gesungene Gefühl, besonders waches Erleben beim Zuhören, besonders bewusstes gemeinsames Musizieren können die Folge sein. Jörg Lichtenstein GEDANKEN ZUR INSZENIERUNG 15
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