Aufrufe
vor 5 Jahren

Programmheft Beatrice Cenci 2018

  • Text
  • Festspielhaus
  • Goldschmidt
  • Cenci
  • Festspiele
  • Festspiele
  • Oper
  • Goldschmidt
Beatrice Cenci von Berthold Goldschmidt Oper in drei Akten (1949/50) Libretto von Martin Esslin nach The Cenci von Percy Bysshe Shelley (1819) Deutsche Version von Berthold Goldschmidt Mit deutschen Übertiteln Premiere: 18. Juli 2018 - 19.30 Uhr Dauer: 2 1/2 Stunden (inkl. Pause)

für dessen Kompanie

für dessen Kompanie Goldschmidt bereits 1938 die Ballettmusik Chronica mit großem Erfolg komponiert hatte. Nun erhoffte er sich von Jooss Unterstützung hinsichtlich der Uraufführung der Beatrice Cenci. Doch dazu kam es vorerst nicht. Mit dem Zeitpunkt der Fertigstellung der Partitur im Jahr 1950 geriet das Werk in Vergessenheit; es vergingen 38 Jahre bis zur konzertanten Uraufführung im April 1988 in London. Weitere sechs Jahre verstrichen, bis im August 1994 im Rahmen der Berliner Festwochen Beatrice Cenci zum ersten Mal in Deutschland konzertant aufgeführt wurde. Wenige Wochen später kam es dann am 10. September 1994 zur szenischen Uraufführung in Magdeburg. Beide Aufführungen wurden mit anhaltenden Ovationen zu einer bewegenden Hommage an Goldschmidt, der im Alter von 91 Jahren nicht nur die Wiederentdeckung seiner Oper Beatrice Cenci erlebte, sondern auch die seines Gesamtschaffens. Vergessen und wiederentdeckt – dies sind jene Schlüsselwörter, über die eine Annäherung an Leben und Werk Goldschmidts, mithin an Beatrice Cenci, gelingen kann. Schlüsselwörter, die darauf hinweisen, dass sich in seiner Biographie der Einfluss von gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen und musikästhetischen Moden auf die Rezeption seines kompositorischen Schaffens eindrücklich widerspiegelt. BARBARA BUSCH Goldschmidt, 1903 in Hamburg geboren, gehört zu jenen Komponisten, die durch die nationalsozialistischen Machthaber und die damit verbundenen dramatischen politischen Ereignisse gezwungen waren, ins Exil zu gehen. 1935 gelang dem 32-Jährigen, der sich als Sozialdemokrat verstand und gerade angefangen hatte, sich im öffentlichen Musikleben (u. a. mit seiner ersten Oper Der gewaltige Hahnrei) zu etablieren, die Flucht aus Deutschland. Er ging nach London, wo er 61 Jahre lang lebte und 1996 starb. EINE HISTORISCHE OPER IM ENGLISCHEN EXIL Im Exil entstanden zwar bis 1957 noch viele Werke, doch Goldschmidts Versuche, im englischen Musikleben Fuß zu fassen, scheiterten. Seine Tonsprache fand in der Nachkriegszeit, in der 17

sich das Interesse auf serielle Techniken und elektronische Musik konzentrierte, kaum Resonanz: Seiner politischen Verdrängung folgte eine ästhetische. Von dieser Verdrängung betroffen war auch Goldschmidts zweite Oper Beatrice Cenci, deren Libretto auf Percy Bysshe Shelleys Tragödie The Cenci basiert. Mit ihr wählte Goldschmidt die literarische Verarbeitung einer authentischen Handlung, die sich am Ende des 16. Jahrhunderts in Italien ereignete und bis in die Gegenwart Künstler unterschiedlicher Sparten fasziniert und zu neuen Werken inspiriert hat. Der römische Edelmann Francesco Cenci tyrannisiert seine Familie, er vergewaltigt seine Tochter Beatrice, sie lässt ihren Vater daraufhin töten und endet deshalb, gemeinsam mit ihrer Stiefmutter Lucrezia, auf dem Schafott. Goldschmidts Sujetwahl verweist auf den von ihm folgenreich erlebten faschistischen Terror in Deutschland. Beatrices vollkommene Abhängigkeit von ihrem tyrannischen Vater sowie ihre psychische Zerstörung durch sein Verhalten bilden eine Parallele zur Machtlosigkeit jener, die wie Goldschmidt Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft wurden. Goldschmidts traumatisches Erlebnis der Flucht, des Verlustes vieler Familienangehöriger sowie die abrupte Unterbrechung seiner Musikerkarriere führten ihm die Abhängigkeit von den Machthabenden und seiner Chancenlosigkeit in einem diktatorischen System brutal vor Augen. Shelleys Tragödie bot Goldschmidt die Gelegenheit, das Erlebte musikalisch zu thematisieren. Doch die Sujetwahl kann nicht nur als allegorisches Echo auf den Faschismus verstanden werden, sie dürfte auch mit strategischen Überlegungen verbunden gewesen sein: Bereits 1948 hatte Goldschmidt eine Hörspielmusik zu Shelleys Drama komponiert. Als er erfuhr, dass der britische Arts Council einen Opernwettbewerb anlässlich des Festival of Britain 1951 ausgeschrieben und den Gewinnern Aufführungsmöglichkeiten ihrer Opern in Aussicht gestellt hatte, entschloss sich Goldschmidt, seine Hörspielmusik zu einer Oper auszuweiten. Dabei dürfte ihm klar gewesen sein, dass hinter dem Opernwettbewerb das kulturpolitische Anliegen stand, die besonders durch Benjamin Brittens Opern geschaffenen Ansätze einer eigenen englischen Operntradition weiter auszubauen. Goldschmidt, der sich 18

Unsere Dokumente für Sie:

© 2021 Bregenzer Festspiele