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Programmheft Don Giovanni 2016

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Opernstudio (2016) Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart Il dissoluto punito ossia il Don Giovanni Dramma giocoso in zwei Akten KV 527 (1787) Libretto von Lorenzo da Ponte In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln Premiere: 15. August 2016 - 19.30 Uhr Weitere Aufführungen: 16., 18., und 20. August 2016 - 19.30 Uhr Dauer: ca. 3 Stunden (inkl. Pause)

DON GIOVANNI Das gilt

DON GIOVANNI Das gilt besonders für Zerlina und Donna Elvira. Jener scheint Don Giovanni an ihrem Hochzeitstag nicht ungelegen zu kommen. Seinen Verführungs künsten gibt sie schließlich nach. Im Abstand einer Terz singen die beide »Andiam, mio bene, a ristorar le pene d’un innocente amor.« (Gehen wir, mein Schatz, die Schmerzen einer unschuldigen Liebe zu stillen.). Auch nachdem Donna Elvira von Leporello erfahren hat, dass sie nur eine unter Don Giovannis vielen Frauen ist, hält es sie nicht davon ab, ihn erneut an sich binden zu wollen. Auch Don Giovanni sucht die Grenzerfahrung auch bei seinen erotischen Er oberungen, nicht nur mit dem Tod. Sowohl Donna Anna als auch Zerlina stehen kurz vor der Hochzeit, als Don Giovanni sie zu verführen versucht. Der Tabubruch reizt Don Giovanni. Auch deshalb lässt eine Stelle in Leporellos Registerarie besonders aufhorchen: »Ma passion predominante è la giovin principante.« (Aber seine größte Leidenschaft ist die junge Anfängerin.) Mozart wechselt hier überraschend die Tonart von D-Dur nach B-Dur, lässt die Flöten schweigen und alle anderen Instrumente liegende Töne spielen. Nur die dunkel klingenden Fagotte offenbaren Don Giovannis besondere Leidenschaft. Donna Elvira interessiert ihn nicht mehr, denn ihr Name steht bereits auf Leporellos Liste. Mit dieser Auffassung ähneln sich die libertinären Verhaltensmuster des Adels im 18. Jahrhundert, die da Ponte und Mozart als Inspiration dienten, und das Sexualleben des linksalternativen Milieus der 1970er-Jahre, das der Historiker Sven Reichardt in seinem Buch Authentizität und Gemeinschaft beschreibt: »Der offene Umgang mit dem sexuellen Verlangen und die Zurückweisung von Besitzansprüchen und ›bürgerlicher Eifersüchtelei‹ machten die Liebesbegegnungen unter Linksalternativen nicht nur freier und vielfältiger, sondern normierten sie auch in neuer Weise.« Für Donna Elvira scheint Don Giovanni das sprichwörtlich gewordene Gebot dieser Zeit im Kopf zu haben: »Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.« Die freizügige Lebensweise des Libertins haben Mozart und da Ponte bereits in Le nozze di Figaro thematisiert: Dort besteht Graf Almaviva auf dem adeligen »ius primae noctis«, dem Recht der ersten Nacht mit der Braut des Untergebenen. Folgt Le nozze di Figaro einer zeitgenössischen dramatischen Vorlage von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais aus dem Jahr 1778, reicht die Stoffquelle zu Don Giovanni weiter zurück. 1613 wurde Tirso de Molina spani- 12

sches Schauspiel Der Spötter von Sevilla und Der steinerne Gast zum ersten Mal aufgeführt. Seit dem Erstdruck des Stücks 1630 entstanden im europäischen Theater über vierhundert Bearbeitungen des Stoffs, darunter Jean Baptiste Molières Dom Juan ou le festin de Pierre. Als Mozart und da Ponte mit der Arbeit an ihrer Oper begannen, war die Figur des Don Juan auf der Opernbühne beliebt: Am 5. Februar 1787 wurde in Venedig Giuseppe Gazzanigas Oper aufgeführt, aus der da Ponte einige Anregungen übernahm. Dies kam seiner Arbeitsweise sicher gelegen. In seinen Memoiren berichtet er, dass er neben Don Giovanni gleichzeitig an zwei weiteren Libretti gearbeitet habe: »Nachts schreibe ich für Mozart und denke dabei an Dantes ›Inferno‹.« Mozarts Don Giovanni kam am 29. Oktober 1787 im Prager Ständetheater zum ersten Mal auf die Bühne. Am 7. Mai 1788 erlebte das Werk seine Wiener Premiere mit einigen Veränderungen der Partitur. Don Ottavios Arie »Il mio tesoro« wurde zugunsten der neukomponierten Arie »Dalla sua pace« gestrichen, für die Sängerin der Donna Elvira, der ihre Partie zu klein erschien, komponierte Mozart die große Szene im zweiten Akt hinzu (»In quali eccesi, o Numi« – »Mi tradi quell’alma ingrata«). Mit den »eccesi«, den Exzessen, charakterisiert Donna Elvira den von ihr noch immer geliebten Don Giovanni. Sie kann sich selbst nicht verstehen: »Wenn ich meine Qualen fühle, / spricht das Herz von Rache; / aber wenn ich die Gefahr für ihn sehe, / erbebt mir das Herz.« Der Exzess, der Austritt, das Übermaß kennzeichnen Don Giovanni, genau das scheint ihn für Donna Elvira attraktiv zu machen. Seien es die Anzahl seiner weiblichen Eroberungen, die Ausschweifungen auf seinem Fest am Ende des ersten Akts, der »barbarische Appetit«, mit dem Leporello seinen Essensstil beschreibt oder sein Mut, im Angesicht des Todes die Reue für seine Taten zu verneinen – Don Giovanni kennt nur das exzessive Leben. Das fasziniert und erschreckt uns noch heute. AUF LEBEN UND TOD Olaf A. Schmitt 13

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