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Programmheft Hamlet 2016

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Oper im Festspielhaus (2016) Hamlet von Franco Faccio Amleto (Hamlet) Oper in vier Akten (1865) Libretto von Arrigo Boito In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln, Kritische Ausgabe von Anthony Barrese Premiere: 20. Juli 2016 - 19.30 Uhr Weitere Aufführungen: 20., 25. und 28. Juli - 19.30 Uhr Dauer: 3 Stunden (inkl. Pause)

Das aber ließen sie

Das aber ließen sie sich nicht gefallen. Nicht ohne Gegenwehr, sie kamen wieder als Geister. Eine kulturelle Ordnung, die plötzlich abgebrochen wird, wie damals der ganze Symbolraum des Katholizismus – wird immer gespenstisch. Das macht das Szenario des Hamlet in den kommenden Jahrhunderten so resonanzfähig. Denn mit zunehmender Zeitbeschleunigung wird die Vergangenheit abgestoßen und macht Wiederkehr des Verdrängten zum Bestandteil der Kultur – spätestens seit der Romantik. Für die Shakespeare-Zeit hat das zur Folge, dass die Auffassung von der Natur der Geister sich teilt: Für die Katholiken kamen sie aus dem Fegefeuer, um noch etwas, das sie quälte, zu erledigen. Die Lebenden hatten ihnen dabei zu helfen. Für Protestanten aber waren sie Engel oder Teufel, die die Sterblichen durch Täuschungen und Illusionen zu verwirren suchten und sie dadurch ins Verderben lockten. Die Menschen schwankten zwischen beiden Auffassungen genauso wie zwischen Katholizismus und Protestantismus. Manche konvertierten hin und her. Und viele öffentliche Protestanten in England praktizierten heimlich den Katholizismus. Dazu gehörte auch Shakespeares Vater. Noch ist es nicht lange her, da hat man in einem Dachversteck sein katholisch abgefasstes zweites Testament gefunden. Solche Katholiken, die unter dem Druck der antikatholischen Gesetzgebung Elizabeths nach außen protestantisch auftreten mussten, schrieben heimlich ein neues Testament nach katholischen Vorschriften und versteckten es. Gott konnte es ja sehen. […] DIETRICH SCHWANITZ 13

Wir haben es hier mit einem veritablen Paradox zu tun. Hamlet fragt einen Geist, den er für potentiell böse und lügnerisch hält (protestantische Auffassung), was man von ihm zu halten habe. Und er endet mit der (katholischen) Frage, was man tun solle, um ihm als Geist eines Toten aus dem Fegefeuer zu helfen. Das ist, als ob man erkläre, alle Kreter seien Lügner und dann einen Kreter frage, ob das stimme. Wie auch immer der Geist von Hamlets Vater ihm antworten wird, wenn Hamlet später zur Besinnung kommt und ihm das Paradox bewusst wird, wird er die Antwort des Geistes wieder anzweifeln müssen. […] Wissen ist ein Wagnis, wie beim Sündenfall, weil man sich durch Wissen verändert. Wenn Hamlet den Geist jetzt anhört, heißt das zugleich, dass er zur Rache gezwungen sein wird. Und nun ist das Stichwort dieses Dramas gefallen, ehe der Geist sich zu erkennen gegeben hat: Rache. War Rache mit einem christlichen Wertesystem vereinbar? Stand nicht in der Bibel: »›Mein ist die Rache‹ spricht der Herr«? Oder gab es in der Renaissance einen Sondercode, der Rache forderte, wie man behauptet hat? Verstößt Hamlet gegen Gebote, oder folgt er einer Norm, wenn er den Auftrag ausführt? Erklärt diese Ambivalenz sein Zögern? Wie immer dem auch sei, soviel steht fest: Ganz plötzlich verbreitet sich im Repertoire des elisabethanischen Theaters das Genre der Rachetragödie, zu der auch der Hamlet gehört. Und zur gleichen Zeit verbreitet sich, aus Italien kommend, die Mode des Duells. Vorher hatte es nur den öffentlichen Zweikampf gegeben, eine umständliche Affäre mit öffentlicher Herausforderung, deren Publikation, der Bereitstellung von vorgeschriebenen Waffen, der Versammlung des Publikums. Am Ende des Hamlet werden wir so einen Zweikampf in der Verkleidung eines sportlichen Wettkampfs sehen. In katholischen Ländern wurde diese Art des Zweikampfs im Konzil von Trient, dem katholischen Reformparteitag in der Jahrhundertmitte nach der Reformation, verboten. Stattdessen verbreitete sich dort das private Duell. Das war ein Konflikt zwischen zwei Männern gleichen Standes, der aus beliebigem Anlass ausbrechen und schnell und unmittelbar meist an einem geheimen Ort ausgetragen werden konnte. Dabei ging es um die Wiederherstellung der Ehre des Herausforderers, die durch das beleidigende Verhalten seines Gegners beschädigt worden war. Dabei zeigt die schnelle Verbreitung des Duells: Man wird ehrempfindlicher. Wieso? Welcher soziale Trend 14

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