»Boito und Faccio geben dem Mörderpaar Claudius und Gertrude großen Raum. Diese Rollen bekommen durch die Komposition ein anderes Profil. Der Claudius, der uns in vielen Inszenierungen des Sprechstücks als pragmatischer, beherrschter Realpolitiker entgegentritt, wird hier zu einem von Lebensgier Getriebenen. Sein Trinklied ist zugleich ein Requiem auf die Toten, wenn er abrupt wechselt zwischen ›Requiem für die Verstorbenen‹ und Glück, Freude, Lust den Lebenden. Diese Angst, das Leben nicht bis zum letzten Tropfen auszukosten, weil es jeden Moment vorbei sein kann. Er hat es selbst erlebt, er hat jemanden umgebracht, der gerade noch lebendig war: Ein Tropfen Gift und er war tot. Daher kommt diese Lebensgier. Dieser animalische, zupackende Claudius des ersten Bildes ist eine Entdeckung, mit der ich nicht gerechnet habe. Genauso gibt dann sein Gebet, sein Hadern mit Gott, sein Versuch, den begangenen Mord zu verarbeiten, der Figur wiederum eine neue Dimension. Parallel dazu Gertrude: Nach ihrer großen Szene mit Hamlet, wenn sie allein zurückbleibt, sieht und vor allem hört man eine zerrissene Seele und den Versuch, dieses Geschehen zu verarbeiten.« OLIVIER TAMBOSI 31
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