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Programmheft Hoffmanns Erzählungen 2015

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Oper im Festspielhaus 2015 Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach Phantastische Oper in fünf Akten In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln Libretto von Jules Barbier nach dem Schauspiel von Jules Barbier und Michel Carré Premiere: 23. Juli 2015 - 19.30 Uhr Weitere Aufführungen: 26. Juli - 11.00 Uhr sowie 30. Juli, 2. und 6. August - 19.30 Uhr

Miracle lässt er im

Miracle lässt er im dritten Akt Antonia die Stimme ihrer Mutter hören und den gemeinsamen Gesang mit ihrem Tod bezahlen. Als Kapitän Dappertutto im vierten Akt bringt er Giulietta dazu, Hoffmann sein Spiegelbild zu entwenden. Offenbach eröffnet sämtliche Auftritte dieser dämonischen Figuren mit dem charakteristischen Motiv einer punktiert absteigenden Melodie, die mit einem Triller endet und schafft damit eine Figur mit mehreren Schattierungen, ähnlich wie die drei Frauen, von denen Hoffmann selbst singt, sie seien „drei Seelen in einer Seele“. Außer den Frauenfiguren und den Bösewichten gibt es mit den Dienerfiguren Andrès, Cochenille, Frantz und Pitichinaccio weitere Wiedergänger. Deutlicher als in der dramatischen Vorlage erscheint in Offenbachs Oper die Muse und Hoffmanns männlicher Begleiter Nicklausse als dieselbe Figur. Im Schauspiel entspricht Nicklausse der Figur Fréderick. Die Bösewichtfigur hat weitere Vorbilder in Hoffmanns Erzählungen Der Magnetiseur und Ignaz Denner. In dieser Geschichte werden der Jäger Andres – auch dieser Namen taucht als Diener Stellas in der Oper auf – und seine italienische Frau während eines Sturms von einer beunruhigenden Gestalt heimgesucht, die sich der kranken Frau gegenüber hilfsbereit und heilsam zeigt: „’Ich bin zwar kein Arzt, sondern vielmehr ein Kaufmann, allein doch in der Arzneiwissenschaft nicht unerfahren, und besitze aus uralter Zeit her manches Arcanum, welches ich mit mir führe und auch wohl verkaufe.’ Damit öffnete er sein Kistchen, holte eine Phiole heraus, tröpfelte von dem ganz dunkelroten Liquor etwas auf Zucker und gab es der Kranken. Dann holte er aus dem Felleisen eine kleine geschliffene Flasche köstlichen Rheinweins und flößte der Kranken ein paar Löffel voll ein. Den Knaben, befahl er, nur dicht an der Mutter Brust gelehnt ins Bett zu legen und beide der Ruhe zu überlassen. Dem Andres war es zumute, als sei ein Heiliger herabgestiegen in die Einöde, ihm Trost und Hülfe zu bringen. Anfangs hatte ihn der stechende, falsche Blick des Fremden abgeschreckt, jetzt wurde er durch die sorgliche Teilnahme, durch die augenscheinliche Hülfe, die er der armen Georgina leistete, zu ihm hingezogen.“ Dieser „Heilige“ entpuppt sich mehr und mehr als böse Gestalt, die nicht nur Andres zu kriminellen Handlungen verführt, sondern auch das Blut des Kindes begehrt und es umbringt. Nachdem Andres ihn schließlich erschossen hat, ruft er der Leiche zu: „Fahr zu 22

Hölle, du satanischer Bösewicht […], der du den Tod hundertfältig verdient hast, dem ich den Tod gab, weil er verruchten Mord an meinem Kinde […] verüben wollte. Du hast nur Buße und Frömmigkeit geheuchelt um schändlichen Verrats willen, aber nun bereitet der Satan manche Qual deiner Seele, die du ihm verkauft.“ Vom Teufel sprechen Hoffmann und andere Figuren immer wieder in der Oper. „Va-t’en au diable!“ (Geh zum Teufel!) sagt selbst Lindorf zu Andrès, nachdem ihm dieser immer mehr Geld für Stellas Brief abgerungen hat. Doch nur an einer Stelle ist explizit von „Satan“ die Rede, in der musikalisch wohl unheim-lichsten Nummer der gesamten Oper: dem Terzett Hoffmann-Crespel-Miracle im dritten Akt. „Weiche von mir, Satan!“, „Verlasse mein Haus, Satan!“, singt Crespel, nachdem der Wunderdoktor seine Arzneien zur Behandlung Antonias angeboten hat. Offenbachs Musik in diesem Terzett rast unvermittelt durch entfernte Tonarten, wechselt rasant die Klangfarben und die Lautstärke und lässt am Ende mit einem unerbittlichen Ostinato die Szene in eine ausweglose Bedrohung münden. Bald darauf folgt das nächste unheimliche Terzett, in dem Antonia in den Gesang ihrer verstorbenen Mutter einfällt. Antonia stirbt an ihrem Gesang, in Hoffmanns Erzählung Rat Krespel beschreibt Doktor Mirakel ihre Krankheit so: „Mag es sein, dass es von zu früher Anstrengung im Singen herrührt, oder hat die Natur es verschuldet, genug, Antonie leidet an einem organischen Fehler in der Brust, der eben ihrer Stimme die wundervolle Kraft und den seltsamen, ich möchte sagen, über die Sphäre des menschlichen Gesanges hinaustönenden Klang gibt. Aber auch ihr früher Tod ist die Folge davon, denn singt sie fort, so gebe ich ihr noch höchstens sechs Monate Zeit.“ UNHEIMLICHE WIEDERGÄNGER 23

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