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Programmheft Moses in Ägypten 2017

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Wie ändert sich unsere

Wie ändert sich unsere Wahrnehmung der Plagen und göttlichen Ereignisse, wenn wir sehen, wie sie gemacht werden? Wir geben keine abschließende Antwort darauf, wer Gott ist. Wir zeigen jemanden, der die Naturkatastrophen herstellt, mit ihnen spielt und die Welt beeinflusst. Es geht um das Ereignis. Es zu sehen erlaubt uns zu interpretieren, warum sie es tun. Das wird sicher viele Fragen hervorrufen und letztlich zeigen wir, wie jemand das Ereignis entstehen lässt, das Rossinis Musik ohnehin beschreibt. Rossinis Musik verbreitet manchmal eine mechanische Energie, die den Sängerinnen und Sängern beinahe etwas Puppenhaftes gibt. Gibt es hier einen Bezug zu Hotel Moderns Spiel? Es gibt viele verschiedene Ebenen in Rossinis Musik. Manchmal befinden wir uns dabei in einem Kammerspiel und verstehen die Charaktere durch deren Musik. Es gibt aber auch solche Momente, in denen Rossini einen Schritt zurückgeht und uns nicht mehr auf diese emotionale Reise mitnimmt. Stattdessen beobachtet und zeigt er vieles auf abstrakte, stilisierte Weise. Das passt sehr gut zu unserem Konzept, da sich der Zuschauer nicht mit nur einer Gruppe identifizieren kann, weder mit den Israeliten noch den Ägyptern oder gar der göttlichen Perspektive. Wir sind sehr von der Qualität dieser Oper überzeugt. Das Werk wurde aber lange Zeit nur in der überarbeiteten französischen Version gespielt, die ursprüngliche italienische Fassung verschwand. Wo liegen die Schwierigkeiten dieser Fassung und des Werks insgesamt? Rossini war auch nicht glücklich mit der Inszenierung der Uraufführung. Er komponierte die Oper in einer Weise, die es fast unmöglich macht, sie auf eine Theaterbühne zu bringen. Rossini wechselt häufig zwischen äußerst bühnenfreundlichen Szenen eines Kammerspiels und so gewaltigen Szenen, dass sie über die Wände des Theaters hinauszielen. Versucht man, diese zwei kompositorischen Dimensionen in derselben Ästhetik zu erreichen, käme keine von beiden tatsächlich zur Geltung. Es scheint so, als stoßen wirklich zwei unterschiedliche Dimensionen in einem Werk aufeinander. 16

Es galt also, einen ganz eigenen Weg zu finden, um dieses Werk auf die Bühne zu bringen. Wäre es vorstellbar, die Oper mit konventionellen Mitteln zu inszenieren? Das könnte ich mir wirklich nicht vorstellen. Der Unterschied zwischen den beiden Dimensionen muss wirklich dramatisch sein. Dazu reicht eine normale Bühne nicht aus. Das war ein Grund für die Entscheidung, Hotel Modern in das Projekt einzubeziehen. Es ist aufregend, da Hotel Modern noch nie für eine Opernbühne gearbeitet hat. Auch ich habe noch nicht im Entferntesten an einem solchen Projekt gearbeitet. Es stehen hier zwei grundverschiedene Theaterstile nebeneinander, die ein Stück und eine Bühne teilen, auch im Bühnenbild und den Kostümen. Wenn der Ausstatter Christof Hetzer und ich uns das alles vor Augen führten, dachten wir: Wow, es gefällt uns, was daraus wird, aber es ist gleichzeitig etwas, was wir noch nie vorher gemacht haben. Unsere Aufgabe bestand darin, eine Theatersprache zu finden, die diesem Stück entspricht. LOTTE DE BEER Wie lief die Zusammenarbeit mit Hotel Modern ab? Hotel Modern bat mich zunächst, ein Szenarium für sie zu erstellen. Es erklärt, was in den einzelnen Szenen auf der Bühne passieren wird. Wir sehen beispielsweise die Freude der Juden über ihre Befreiung oder die ägyptischen Soldaten, die jeden exekutieren, der dem Pharao keinen Gehorsam leistet etc. All das schrieb ich auf, wir diskutierten und veränderten es einige Male, bis Hotel Modern ihre Skizzen zu einem Storyboard ausarbeitete. Von diesem Punkt an ging es um die Frage, welche Ästhetik wir auf der Bühne haben möchten. Gemeinsam mit Christoph Hetzer entstand die Idee, dass die Sänger gewissermaßen eine große Version der Puppen sein sollten. Schlussendlich wurde uns klar: Die ganze Bühne muss quasi das Laboratorium Gottes darstellen. Nachdem diese Entscheidungen getroffen waren, arbeitete jede Gruppe eigenständig an ihrem Teil weiter. Regelmäßig kamen wir wieder zusammen. Unsere Pläne wurden immer konkreter und auch musikalischer, bevor alle Elemente bei den szenischen Proben mit den Solisten und dem Chor zusammengefügt wurden. Die Fragen stellte Olaf A. Schmitt. 17

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