STAATSOPERETTE – DIE AUSTROTRAGÖDIE ZUR ENTSTEHUNG DER BÜHNENFASSUNG Fernsehproduktion 1977 bescherte Franz Novotnys und Otto M. Zykans Film Staatsoperette der österreichischen Fernsehgeschichte einen handfesten Skandal. Schon im Vorfeld der Ausstrahlung war es zu erhitzten Diskussionen gekommen, die anschließend in zahlreichen Anfeindungen und Auseinandersetzungen fortgesetzt wurden. Die Staatsoperette konnte nur in einer stark gekürzten Version gesendet werden, denn der ORF hatte schon im Vorfeld die Notbremse gezogen. Statt der geplanten 90 Minuten konnten nur knapp 60 Minuten produziert werden, nachdem die Drehzeit von drei Wochen auf vier Tage reduziert worden war. Wichtige Szenen fielen dem Rotstift zum Opfer. Der originale Werkzustand war also keiner, den die Autoren geplant oder gewollt hatten. Eine vorgesehene Kinolangversion wurde abgesagt. Der Regisseur Franz Novotny meinte dazu im Gespräch: »Auch als Fragment hat die Staatsoperette eingeschlagen wie eine Bombe; jede Veränderung hätte das nur entschärft«. Der Komponist Otto M. Zykan dagegen versuchte zeitlebens, einen Auftrag für eine vollständige Bühnenfassung zu bekommen. Es kam jedoch lediglich zu einer Konzertfassung, die im Jahr 2000 im Festspielhaus St. Pölten aufgeführt wurde. Zykan verwendete hierfür nur einige musikalische Höhepunkte der Fernsehproduktion mit ein paar zusätzlichen Chorstücken. 22
Bühnenfassung Von Anfang an war klar, dass nur eine ergänzte Bühnenfassung Sinn ergeben würde. Für das Publikum von 1977 waren die Geschehnisse des Bürgerkriegs zwischen den beiden Weltkriegen auch als Fragment in der satirischen Verknappung noch nachvollziehbar. Zwar sind die mühsam zugeschütteten Gräben in Gesellschaft und Politik Österreichs auch heute noch präsent, aber eine Darstellung der Zwischenkriegszeit auf Basis der historischen Geschehnisse muss die weiteren Hintergründe nachvollziehbar auf die Bühne bringen. Für die Ergänzung der Handlung und der Texte war ausreichend Material vorhanden (siehe Seite 10, L Libretto). Bei den musikalischen Ergänzungen war die Ausgangslage wesentlich schwieriger. Zykan hat sein musikalisches Vermächtnis mit wenig Sorgfalt betrieben. Ein einmal abgespieltes Werk war für ihn nur mehr quasi ein Materiallager für neue Werke. Man könnte sagen, für Zykan war eine Aufführung von Zykan ohne Zykan nicht von Interesse. Dies gilt übrigens für all seine Bühnenwerke. Vollständige Partituren sind dabei echte Ausnahmen. Sein Archiv ist, trotz der intensiven Aufarbeitung von Irene Suchy, lückenhaft. Die Noten für die an sich schon unvollständige Staatsoperette sind zum Teil vorhanden, zum Teil in anderen Stücken wiederentdeckt worden (zum Beispiel Auszählreim), zum Teil verschollen. Einige Skizzen zu in der Fernsehproduktion nicht realisierten Szenen und drei sogenannte Räsoniererszenen, wovon aber zwei unvollständig sind, tauchten zusätzlich auf. Diese »Räsoniererszenen«, zynische Kommentare des Geschehens, schrieb Zykan für sich selbst, das wäre seine Rolle im Fernsehfilm gewesen. Diese melodramatischen Gesangsszenen wurden nun musikalisch vervollständigt und für die Figuren »Die Linke« und »Die Rechte« adaptiert. Die Räsoniererszene 3 im zweiten Finale war, obwohl unvollständig, ein echtes Fundstück: ein melancholisches, melodiöses, leicht an Gustav Mahler gemahnendes Musikstück, das als eines der schönsten und intensivsten Stücke in seinem Werkkatalog gelten darf, das erst jetzt uraufgeführt wird. ZUR ENTSTEHUNG DER BÜHNENFASSUNG 23
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