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Programmheft Turandot 2015

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Spiel auf dem See 2015 Turandot von Giacomo Puccini Premiere: 22. Juli 2015 - 21.15 Uhr Lyrisches Drama in drei Akten und fünf Bildern, In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln Libretto von Giuseppe Adami und Renato Simoni nach dem Schauspiel von Carlo Gozzi

VON TURANDOCHT ZU

VON TURANDOCHT ZU TURANDOT WANDLUNGEN EINES MÄRCHENS WANDLUNGEN EINES MÄRCHENS 58

»Wer mich zur Gattin begehrt, der soll mich nicht bloß aus der Ferne anschwärmen, sondern er soll herkommen in mein Schloss, um mich anzuschauen wie der Nachtfalter das Licht! Dazu ist allerdings ein Mann vonnöten und keine Memme. Er braucht tausend Leben statt nur ein einziges – und er hat, will er mich gewinnen, vier Bedingungen zu erfüllen: erstens muss er vornehm sein und schön; zweitens den Schwertzauber lösen, der ihm den Weg versperrt; drittens – gelingt ihm dies – das Tor finden, das ihn zu mir führt, denn ich will keinen sehen, der übers Dach bei mir einsteigt; und viertens endlich, wenn er so weit gelangt ist, muss er die Rätsel lösen, die ich ihm stellen werde im Palast und in Anwesenheit meines Vaters. Löst er auch diese, so erlangt er meine Hand und damit das Elixier der Glückseligkeit – bleibt er mir die richtige Antwort aber schuldig, so verliert er sein Leben.“ Mit diesen Worten formulierte die russische Prinzessin Turandocht kaum zu bewältigende Herausforderungen für einen Mann in einer der frühen Quellen für Giacomo Puccinis Opernstoff Turandot. Viele Verwandlungen durchlief dieser Stoff, bevor daraus eine italienische Oper über eine chinesische Prinzessin wurde. In sämtlichen Versionen sind die Männer scharenweise von der Prinzessin fasziniert, die versucht, sich ihre Bewerber durch Rätsel vom Leib zu halten. Wer sie nicht lösen kann, bezahlt mit seinem Leben. Die kulturelle Umgebung, die Art der Rätsel und die Charakterisierung der einzelnen Figuren unterscheiden sich aber extrem. Erst bei Puccini erhielt der Stoff eine psychologische Dimension. Der persische Dichter Nizami, der von 1141 bis 1202 oder 1203 in Transkaukasien lebte, hat dieses Märchen aufgeschrieben. Seine Prinzessin zog mit ihrer Schönheit, Klugheit und ihren magischen Kräften so viele Männer an, dass sie sich von ihrem Vater auf einem einsamen Gipfel eine Burg bauen ließ, um den Bewerbern zu entkommen. Sie hatte das Alleinsein schon immer geliebt und wollte auf alle Mitmenschen und vor allem einen Mann verzichten. „Sie, Turandocht, die selbst einen so männlichen Geist in einem weiblichen Körper besaß!“ Spielerisch nutzte die Prinzessin ihre Fähigkeiten, um den Weg zu ihr beinahe unmöglich zu machen. Damit forderte sie die Männer umso mehr heraus. Turandocht formte Figuren aus Eisen und Stein mit je einem Schwert in der Hand, die geheimnisvoll die Richtung zu ihrer Burg wiesen. Gemeinsam mit dem einleitend zitierten Text ließ sie ein von ihr gemaltes Selbstportrait in der Stadt aufhängen, „damit jedermann, der mich gewinnen will, es sehen und lesen kann“. Schon in dieser frühen Version ist es das Bild der Prinzessin, das die Männer in den Bann zieht. Im späteren persischen Märchen aus der Sammlung Tausendundeintag, wodurch der italienische Dichter Carlo Gozzi diesen Stoff kennenlernte, verabscheut Prinz Kalaf das grausame Gesetz der Prinzessin so lange, bis er ihr Bild sieht. In Puccinis Oper erblickt der unbekannte Prinz zwar Turandot leibhaftig im ersten Akt, doch sie spricht nicht und fasziniert durch ihr geheimnisvolles Erscheinen. 59 TURANDOT

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