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Programmheft Turandot 2016

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Spiel auf dem See Turandot von Giacomo Puccini Premiere: 21. Juli 2016 - 21.15 Uhr Lyrisches Drama in drei Akten und fünf Bildern (1926) Libretto von Giuseppe Adami und Renato Simoni Schlussduett und Finale vervollständigt von Franco Alfano In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Carlo Gozzi nimmt in

Carlo Gozzi nimmt in seinem „tragikomischen Märchen in fünf Akten“ einige bedeutsame Veränderungen gegenüber seiner Quelle vor. Steht in François Pétis de La Croix‘ Märchen aus Tausendundeintag die Figur des Prinzen im Mittelpunkt, der nach langer Reise am Kaiserhof in Peking ankommt, kreist Gozzis Theaterstück wie schon Nizamis Version um die weibliche Hauptfigur. Im 18. Jahrhundert erhielten Frauen langsam Zugang zu akademischen Institutionen und stellten zunehmend infrage, dass sie entweder an jemanden vermählt werden oder ins Kloster gehen. Gozzis Theater aber richtete sich besonders gegen seinen Kollegen Carlo Goldoni, dessen aufklärerische Neuerungen er kritisierte. Gozzi zog es vor, das Publikum mit Phantasiestoffen zu erheitern und moralisch zu erziehen. Aus diesem Grund fügte er seiner Turandot komische Typen aus der Commedia dell’arte hinzu, die durch Übertreibungen und Sprachakrobatik das Publikum zum Lachen brachten. Puccini waren diese komischen Figuren besonders wichtig, er gab ihnen die Namen Ping, Pang und Pong. Damit ist die anregende Vermischung verschiedener Kulturkreise noch vergrößert: das persische Märchen, in dem ein Prinz in die chinesische Hauptstadt kommt und dort auf Figuren aus der italienischen Theatertradition trifft. Bei Puccini reichert sich der Stoff weiter an, einerseits mit zeitgemäßen Erscheinungen wie der Psychoanalyse und andererseits mit einem biographischen Erlebnis. Aus der zweiten Frauenfigur neben Turandot, die bei Gozzi mit dem Namen Adelma ihre Herrin unterstützt und Kalaf dessen Namen entlockt, wird in Puccinis Oper die berührende Liù, die es vorzieht, sich umzubringen anstatt den Namen des geliebten Prinzen zu verraten. Der Komponist könnte für Liù ein reales Vorbild vor Augen gehabt haben, wie der Regisseur und Bühnenbildner Marco Arturo Marelli beschreibt: „Nach Puccinis schwerem Autounfall wurde die sechzehnjährige Doria Manfredi als Krankenpflegerin und Haushaltshilfe in der Villa Torre del Lago aufgenommen. Puccini empfand eine gewisse Sympathie für das einfache Mädchen. Seine Frau Elvira wurde argwöhnisch und begann die unschuldige Doria zu beschimpfen und öffentlich als Hure zu verleumden. Die ganze dörfliche Nachbarschaft in Torre del Lago wurde in diesen Konflikt mit einbezogen und das arme Mädchen wusste keinen anderen Ausweg, als sich auf eine äußerst quälende Art selbst umzubringen.“ Die auffallendste Veränderung in Puccinis Oper gegenüber ihren Vorlagen betrifft Turandot selbst. In ihrer großen Arie im zweiten Akt begründet die Prinzessin ihre Ablehnung gegenüber den Männern. Vor langer Zeit wurde ihre Vorfahrin Lou-Ling von einem Mann misshandelt und getötet. Den Schrei dieser Frau hört Turandot noch heute in sich, in ihr erstehe Lou-Ling wieder auf. Deshalb soll sie nie einem Mann gehören. Geprägt von der Psychoanalyse Sigmund Freuds, die zahlreiche Kunstwerke vom Anfang des 20. Jahrhunderts beeinflusste, wird Turandots Verhalten zumindest ansatzweise verständlich gemacht. Der Gedanke, dass sich die Frau mit ihren Rätseln am anderen Geschlecht rächen möchte, ist auch schon in Friedrich Schillers Bearbeitung von Gozzis Turandot aus dem Jahr 1802 zu finden: „Ich sehe durch ganz Asien das Weib / Erniedrigt, und zum Sklavenjoch verdammt, / Und rächen will ich mein beleidigtes Geschlecht / An diesem stolzen Männervolke“. Ob bei Puccini, Gozzi, de La Croix oder Nizami: Am Ende finden die Prinzessin und der rätsellösende Prinz zueinander. In Nizamis Märchen wird die Rätselszene zu einem geheimnisvollen stummen Tausch von Perlen, Perlenstaub, einem Ring und einer Murmel, den nur die beiden Protagonisten verstehen. Ihrer symbolisch aufgeladenen Liebe steht nun nichts mehr im Weg: „Da bedeckte der Jüngling das Gesicht der Geliebten mit Küssen, koste das eine Mal die Granatäpfelbrüste und dann wieder kostete er die Süßigkeit von den Datteln der Lippen. Am Ende gewann im Liebeskampf der Diamant über die Perle die Oberhand, und auf der Brust des Fasans thronte der Falke. Er sah unter sich ihr Augenpaar trunken von Liebe zu ihm und an ihrer Hand seine blaue Glasmurmel schimmern – und da hob er das Siegel vom verborgenen Schatz.“ Olaf A. Schmitt 65 TURANDOT

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